Höllental: Psychothriller
aber kraftlos sinken. »Ich hatte gehofft, es sei vielleicht doch ein Unfall gewesen, aber wenn es so war, wie du erzählst, dann wollte sie tatsächlich sterben. O Gott, Laura, warum nur?«
Roman schluckte trocken. »Sie sah in dieser letzten Sekunde zu mir auf. Sie hatte Angst. Aber nicht vor dem Sturz, sondern vor mir. Ich glaube, sie hatte Angst davor, doch noch gerettet zu werden.«
Sie schwiegen einen Moment. Romans letzte Worte hingen bleischwer in der Luft.
Schließlich legte Mara ihre Hand auf seinen Unterarm.
»Du darfst dir keine Vorwürfe machen«, sagte sie. »Es ist nicht deine Schuld. Sie hat es so für sich entschieden … auch wenn wir es wohl nie verstehen werden.«
Die Berührung fühlte sich gut an, und Roman hätte gern ihre Hand genommen, traute sich aber nicht. »Ich weiß … aber ich werde ihren Blick nicht los. Er verfolgt mich bis in meine Träume.«
Mara Landau streichelte seinen Arm. »Das hat sie nicht gewollt«, sagte sie. »Laura war ein Mensch, der niemandem wehtun konnte. Sie wollte es immer allen recht machen. Manchmal so sehr, dass sie ihre eigene Persönlichkeit dabei vergessen hat. Deswegen passt es ja auch gar nicht zu ihr, dass sie sich völlig von uns isoliert hat. Sie muss darunter gelitten haben, und zum Schluss hat sie wohl keinen Ausweg mehr gewusst.«
»Aber dieser Vorfall in der Klamm liegt doch schon ein paar Monate zurück«, gab Roman zu bedenken. »Warum jetzt diese Reaktion?«
»Wenn ich das nur wüsste.«
»Vielleicht solltest du doch mit dem Privatdetektiv reden. Der ist wirklich in Ordnung.«
»Ich weiß nicht …«
»Wenn wir herausfinden wollen, wer oder was Laura in den Tod getrieben hat, dann brauchen wir Hilfe. Und ich glaube, Torben Sand kann uns helfen.«
»Ich weiß, aber er wird dann mit Lauras Eltern sprechen.«
Roman schüttelte den Kopf. »Wir bitten ihn einfach, damit zu warten, bis du es selbst getan hast. Er wird das verstehen, da bin ich sicher. Ich finde, wir sollten uns morgen mit ihm treffen.«
Mara nickte unsicher. »Bleibst du solange?«
»Heute noch zurückzufahren macht keinen Sinn. Es schneit ja schon eine Weile. Ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen.«
»Quatsch. Wenn du mir schon hilfst, kann ich dich doch wenigstens hier schlafen lassen. Die Couch kann man ausklappen. Ist wirklich bequem.«
»Nein, ich will keine Umstände …«
»Ich bin echt beleidigt, wenn du das Angebot ausschlägst.«
Sie sahen sich an, und Mara brachte ein kleines Lächeln zustande.
Roman konnte gar nicht ablehnen.
Bernd Lindeke taumelte, schaffte es gerade noch, sich an einem Laternenpfahl festzuhalten, beugte sich vornüber und kotzte aufs Pflaster. Bitter und heiß kam das bisschen wieder hoch, was er heute gegessen hatte.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte er eine Gehirnerschütterung. Seit Ricky ihn mit dem Schädel gegen die Hauswand geschubst hatte, war das unablässige Pochen in seinem Kopf immer stärker geworden, außerdem fühlte sich da drinnen alles geschwollen an, so als gäbe es nicht genug Platz für all die Gedanken, die ihn beschäftigten. Er bekam sie nicht unter Kontrolle: Sie zuckten stroboskopisch hin und her, sandten immer wieder Lichtblitze in sein Sichtfeld.
Bernd wischte sich die Lippen mit dem Handrücken ab, richtete sich auf, ließ den stützenden Metallpfahl aber noch nicht los. Er sah sich um. Die Straße war leer. Niemand beobachtete ihn, niemand war ihm gefolgt. Er war schnell gelaufen, hatte sich nicht umgedreht, aber auch keine bestimmte Richtung eingeschlagen. Jetzt wusste er nicht einmal mehr, wo er sich befand. In dieser Ecke der Stadt war er bisher noch nicht gewesen.
Eine ruhige Wohnstraße, die Seitenstreifen zugestellt mit parkenden Autos, viergeschossige Häuserzeilen mit schmalen Rasenstücken davor.
Bernd presste sich die Hände gegen die Schläfen, versuchte, den Schmerz zurückzudrängen, damit er seine Gedanken ordnen konnte. Er durfte nicht mehr so panisch reagieren, dadurch versaute er alles. Jetzt hing es von ihm ab. Die anderen hatten überhaupt nicht verstanden, was hier lief, auch Mara nicht. Er war ihr nicht böse, sie konnte ja nichts dafür. Sie war einfach zu dumm und zu naiv, um die Wahrheit zu erkennen.
Als er sich besser fühlte, ließ Bernd den Pfahl los und lief weiter. Heraus aus dieser nichtssagenden Sackgasse hin zur nächsten großen Straße. Dort rollte trotz der späten Stunde noch Verkehr, dort kannte er sich wieder aus und würde den Weg finden. Er musste in Lauras
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