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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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attestiert hat –, dann will ich die Berge auch kennen lernen.
    Ich fahre mit der Seilbahn auf, entferne mich von der Station und bin augenblicklich allein. So schnell findet man also Einsamkeit. Ich gehe in dunklen, dichten Wolken, die heute besonders tief zwischen den Flanken der Berge hängen. Ich erfahre eine neue Form der Einsamkeit, die ein wenig beängstigend ist.
    Wolken und Regen verwandeln grauen Fels in schwarzen Fels. Die Welt wird immer kleiner, ich fühle mich, als würde ich mich mit jedem Schritt voran auflösen. Bald bin ich nichts mehr. Existiere nur noch in Schritten und Atemzügen und Anstrengung. Es ist eine zutiefst befriedigende, aber auch masochistische Erfahrung. Aber genau solche Erfahrungen sind es, die ich jetzt brauche. Ich muss mich verändern, muss ein anderer werden. Mein altes Ich ist aufgebraucht.
    Oben auf dem Gipfel bin ich ebenfalls allein. Nur eine Schar Kolkraben leistet mir Gesellschaft. Da ich aber überhaupt keinen Proviant dabeihabe, verlieren sie schnell das Interesse an mir. Eine ganze Stunde bleibe ich dort oben hocken. Der Regen prasselt schwer auf die Kapuze meiner Jacke. Das monotone Geräusch hypnotisiert mich.
    Hier in den Wolken gibt es nichts zu sehen und nichts zu hören, und doch erfahre ich so viel wie selten zuvor.
    Ich erkenne mein wahres Ich.
    Als ich den Gipfel verlasse, habe ich die Überzeugung wiedererlangt, die mir in den letzten Monaten abhandengekommen ist. Ich weiß, ich bin ein Krieger, werde nie etwas anderes sein. Meine Aufgabe ist es, Menschen zu beschützen, die sich nicht selbst schützen können. Dafür töte ich.
    So einfach ist das.
    Leichtfüßig und beschwingt verlasse ich den Gipfelgrat Richtung Süden. Die folgende Kletterei erweist sich als mühsam und kräftezehrend. Die Metallhaken und Drahtseile des gesicherten Steigs sind nass und rutschig, überall fließt Wasser von den Felsen. Ich klettere sehr vorsichtig, setze die Füße mit Bedacht und konzentriere mich auf jeden einzelnen Griff. Ich bin ganz bei mir. Nie habe ich mich lebendiger gefühlt.
    Dann geschieht das Unerwartete.
    Ich höre Stimmen.
    Da ich mich nach wie vor innerhalb der tiefen Wolkendecke bewege, werden sämtliche Geräusche absorbiert . Die Personen müssen folglich sehr nahe sein. Ich ärgere mich über die Störung. Was für Idioten sind bei dem Wetter auf dem Berg unterwegs!?
    Hinter der nächsten Kehre bekomme ich die Antwort.
    Auf einem schmalen Plateau befindet sich eine Gruppe von vier Personen. Gestalten in wetterfester Kleidung mit Kapuzen über den Köpfen. Sie scheinen zu diskutieren und bemerken mich erst, als ich vom letzten Metallbügel auf das Plateau springe.

Sie erschrecken und zucken zusammen
    Gesichter wenden sich mir zu. Drei Männer, eine Frau.
    Fast noch ein Mädchen.
    Sie schiebt sich die Kapuze vom Kopf, um mich besser sehen zu können. Ihr blondes schulterlanges Haar ist nass und klebt ihr am Kopf. Ihre Lippen zittern und sind blau. Sie friert und scheint körperlich am Ende zu sein.
    Ich sehe diese Jungs und sehe sie auch wieder nicht. Schon eine Stunde später werde ich ihre Gesichter vergessen haben. Ich höre die Worte des offensichtlichen Anführers, nehme aber nur die alles entscheidende Frage wahr.
    »Kannst du Laura hinunterbegleiten? Sie schafft den Rest des Weges nicht, und wir wollen unbedingt auf den Gipfel. Du als Bergsteiger verstehst das doch, oder?«
    Ich verstehe etwas anderes. Ich verstehe, dass ich dieses Mädchen begleiten muss, dass ich sie nicht in den Händen dieser egoistischen Jungen lassen darf, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um ihre eigene Selbstsucht zu befriedigen.
    Das Mädchen betrachtet mich einen Moment, dann willigt sie ein. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich unter ihrem Blick fühle. Er lässt mich wachsen. Ich fühle mich heldenhaft. Ich bin ihr Retter.
    Mit knappen kalten Worten verabschiedet sie sich von ihren Begleitern. Ich habe kein Mitleid mit ihnen. Streng genommen müsste ich sie zurechtweisen für die Dummheit, bei dem Wetter ein Mädchen auf den Berg zu schleppen. Für einen Moment sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie die drei Jungs von der Westwand tief in die Schlucht stürzen. Diese Vorstellung erfüllt mich mit Genugtuung.
    Laura geht forsch voran.
    Aber schon an der nächsten schwierigen Stelle bleibt sie stehen und wartet auf mich. Eine stark geneigte Platte ist zu überqueren. Wasser schießt wie ein Strom darüber hinweg. Der Fels ist rutschig, es gibt keine Möglichkeit,

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