Höllental: Psychothriller
Wetter. Vielleicht war Schnee vom Dach gerutscht.
Er stieß die Tür auf. Sie führte direkt auf den Flur. Er musste nur nach rechts greifen, dort stand Romans Notfallrucksack. Als Tobias nach dem Pickel greifen wollte, ging sein Griff ins Leere. Nanu. Der Pickel stand doch immer dort.
Tobias wollte Licht machen. Dazu musste er sich umdrehen. Im letzten Moment bemerkte er eine Bewegung. Erschrocken ließ er sich fallen. Knapp über seinem Kopf zischte etwas durch die Luft und fuhr krachend in den Garderobenschrank. Holz splitterte.
Die Spitze des Pickels steckte fest. Der Mann, der ihn geschwungen hatte, zerrte daran.
Einbrecher , schoss es Tobias durch den Kopf. Bereits zweimal zuvor war in Romans Laden eingebrochen worden. Hastig kroch Tobias von dem Angreifer weg in den hinteren Bereich des Flurs. Erst dort stand er auf. Derweil hatte der Mann den Pickel aus dem Schrank herausbekommen und ging erneut auf Tobias los.
»Blödmann«, murmelte Franz Leitenbacher. Damit meinte er sich selbst. Schon vor Wochen hätte er mit dem Dienstwagen zur Vertragswerkstatt fahren und die Winterreifen aufziehen lassen sollen. Mangelnde Zeit war es nicht, die ihn davon abgehalten hatte, sondern seine Antriebslosigkeit. Margot kostete ihn mehr Kraft, als er mit seinen fünfundfünfzig Jahren noch hatte, und er wusste wirklich nicht, wie lange er sich in diesem Spagat noch halten konnte.
Er klammerte sich ans Lenkrad, fuhr langsam und konzentriert. Die Sommerreifen schmierten dauernd auf der geschlossenen Schneedecke ab. Es schneite und schneite und schneite. Dicke Flocken ließen die Sichtweite auf unter fünfzig Meter sinken. Von der Welt ringsherum war kaum etwas zu sehen.
John Hogan hatte ihm einiges über den Soldaten Robert Sand erzählt. Sand war das Kind des US -Amerikaners Paul Sand und der Deutschen Heike Rossberg. Er war sowohl in Amerika als auch in Deutschland aufgewachsen und beherrschte beide Sprachen, Deutsch akzentfrei. Sein Vater war 1993 bei einem Einsatz in Somalia ums Leben gekommen; er war einer der Männer, die in den Straßen von Mogadischu gegen Aidids Schergen gekämpft hatten.
Trotzdem war Robert mit achtzehn Jahren in die Armee eingetreten. Nach seiner Ausbildung wurde er als Mitglied der Special Forces an sämtlichen Krisenherden der Erde eingesetzt. John Hogan wusste nichts Persönliches über den Menschen Robert Sand und auch nicht, wo er sich zurzeit aufhielt. Es gab natürlich einen Vorgesetzten, doch der würde über einen Angehörigen der US -Armee nicht mit einem deutschen Ermittler sprechen, solange kein Amtshilfeersuchen vorlag. Ein solches zu beantragen war Quatsch, das wusste Leitenbacher. Er hatte rein gar nichts gegen Sand in der Hand. War er überhaupt dieser ominöse Privatdetektiv, von dem Roman Jäger erzählt hatte?
Die Zeiträume jedenfalls passten. Sand war am 25.07. auf Erholungsurlaub hier in der Sheridan-Lodge gewesen. An dem Tag war Laura Waider von ihren Freunden bei der Bergwacht als vermisst gemeldet worden. Am 15.08. war Sand nach Afghanistan versetzt worden. Am 22.09. war er dort in Gefangenschaft geraten, gefoltert und schwer verletzt worden. Nach seiner Befreiung hatte er zwei Monate in einem Lazarett verbracht, bevor er Ende November wieder nach Deutschland zurückgekehrt war.
Und kaum war er wieder da, sprang Laura Waider in den Tod.
Das war schon sehr auffällig, aber ein Beweis war es nicht.
Eine amerikanische Zeitung hatte während der Entführung Robert Sands einen Bericht gebracht und dazu ein Bild abgedruckt. Hogan hatte online danach gesucht und das Bild an seinem Drucker ausgedruckt. Es war grobkörnig und schwarzweiß, aber durchaus zu gebrauchen. Erstaunlicherweise sahen sich Sand und Roman Jäger sogar ähnlich. Statur, Größe, das kantige Gesicht – merkwürdiger Zufall.
Dieses Bild würde er Jäger zeigen. Sollte der Sand darauf nicht erkennen, musste Leitenbacher sich überlegen, ob er überhaupt auf der richtigen Spur war.
Auf dem Weg ins Präsidium wollte Leitenbacher bei Roman Jäger vorbeifahren, um zu schauen, ob er schon zurück war. Wenn nicht, würde er ihn vom Präsidium aus anrufen.
Der Mann war einen Kopf größer als Tobias. In dem halbdunklen Flur konnte Tobias sein Gesicht nicht richtig erkennen, dafür aber den Pickel, den er zum Schlag erhoben hatte. Die Spitze mit den Widerhaken daran, die sich normalerweise in Eis krallten, war absolut tödlich.
Der Mann kam jetzt wieder auf ihn zu. Tobias wich zurück. Er ließ den Pickel
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