Hoellentrip
Während Peter im Gerichtssaal zur Höchstform auflief, lag Gordons Spezialität darin, seine
Mandanten davor zu bewahren, diesen überhaupt zu betreten.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, begann er. »Die gute ist, der Kerl wird keine Anzeige erstatten. Sobald ich ihm erklärt hatte, wer Sie sind und dass Ihre Familie gerade für tot erklärt wurde, hat er davon Abstand genommen – natürlich vorausgesetzt, dass Sie alle Arztrechnungen bezahlen und vielleicht noch ein bisschen Schmerzensgeld drauflegen.«
Peter zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Und die schlechte Nachricht?«
»Etwa ein halbes Dutzend Fernsehteams haben sich bereits vor dem Polizeirevier aufgebaut.«
»Neuigkeiten verbreiten sich schnell, hm?«
»Bilder noch schneller. Auf dem Weg hierher habe ich gehört, dass ein Tourist die Szene aus nächster Nähe aufgenommen hat. Ihre Rauferei dürfte in null Komma nichts auf YouTube zu sehen sein.«
Peter stöhnte überzeugend. »Na prima.«
»Das dachte ich auch. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass wir von hier durch die Garage entwischen können.«
»Nein, ich will nirgendwo entwischen«, erklärte Peter.
Gordon hob eine seiner grau gesprenkelten Augenbrauen. Er hatte ein Dankeschön erwartet. »Aber …«
»Mein Ruf ist im Moment nicht meine größte Sorge«, fiel Peter ihm ins Wort und ließ seinen Kopf in die Hände sinken, behielt aber seinen Anwalt zwischen den Fingern hindurch im Auge.
Gordon war der erste und vielleicht der härteste Test für Peters zusätzlichen Absicherungsplan. Gordon war ein schlaues Bürschchen, wie es die Harvard-Juristen in der Regel alle waren. Er war auch ein tierisch guter Pokerspieler,
was hieß, er konnte Täuschungsmanöver sehr gut durchschauen. Würde es ihm auch bei diesem gelingen?
Wenn Peter etwas war, dann gründlich, und er war nicht bereit, Risiken bei seinem Vorhaben einzugehen, Katherines gesamtes Vermögen zu erben. Um keinen Mord angehängt zu bekommen, musste er dafür sorgen, dass er das Mitleid der ganzen Welt auf sich zog. Je größer das Mitleid war, desto weniger würde man ihn verdächtigen.
Wenn dies bedeutete, mitten in Manhattan eine Rauferei anfangen zu müssen, dann war das eben so.
Weil nur ein Mann, der wegen des Verlusts seiner Familie außer sich war, so etwas tun konnte.
Gordon Knowles nickte langsam. »Es tut mir leid. Ich denke wie ein Anwalt, wo ich doch eigentlich wie Ihr Freund denken sollte. Ich habe vergessen, wie sehr Sie leiden. Wegen Katherine und der Kinder.«
O ja! Der Schmerz war Peter sprichwörtlich ins Gesicht geritzt. Das Blut und die Flecken waren eine Zurschaustellung seines Schmerzes und Verlusts.
»Sie sollten nirgendwo entwischen«, pflichtete Gordon ihm bei. »Wir gehen gemeinsam durch den Vordereingang hinaus. Ich helfe Ihnen, mein Lieber.«
»Danke. Dank für alles. Das hätte ich ohne Sie nicht geschafft. « Mein Lieber.
Gordon rief über seine Schulter den Beamten, um die Tür öffnen zu lassen.
»Ach, eine Sache wäre da noch«, sagte er, wieder an Peter gewandt. »Ich weiß zwar, im Moment steht Ihnen sicher nicht der Kopf danach, aber ich habe einen Anruf von Katherines Anwalt erhalten. Wussten Sie, dass Ihre drei Stiefkinder die einzigen Begünstigten in Katherines Testament waren?«
»Nein, wusste ich nicht«, log Peter, der kurz seine Augen schloss und den Kopf schüttelte.
»Nun, das heißt …«
»Ich will das Geld nicht«, unterbrach ihn Peter mit leiser Stimme. »Ich will nur meine Familie zurückhaben.«
»Das weiß ich. In diesem Fall allerdings muss ich Ihr Anwalt sein und auf Sie aufpassen.« Gordon verschränkte seine Arme. »Was Sie mit dem Geld tun, ist Ihre Sache. Spenden Sie es für wohltätige Zwecke. Meine Sache ist, sicherzustellen, dass Sie derjenige sind, der diese Entscheidung trifft, nicht jemand anders. Okay?«
Peter nickte langsam.
Wenn Sie darauf bestehen, Gordon.
75
Auch ohne Worte sagen die Blicke der Kinder alles. Ich sehe so furchtbar aus, wie ich mich fühle.
Und es wird schlimmer.
Das Aspirin aus dem Erste-Hilfe-Kasten ist längst aufgebraucht. Die Infektion hat sich ausgebreitet, und mein Körper versucht verzweifelt, das Gift allein zu verbrennen.
Nachdem die Kinder das Floß unter ein paar Äste geschoben haben, liege ich wenigstens im Schatten. Sie wechseln sich alle zehn Minuten ab, Blätter ins Wasser zu tauchen und mir auf die Stirn zu legen, damit ich etwas abkühle. Abgesehen davon gibt es nicht viel, was sie
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