Hoellentrip
er nicht geben wollte. Aber er musste.
»Nein«, sagte er schließlich. »Kommt zurück. Alle. Die Suche ist beendet. Der Bereich ist zu groß. Die Familie Dunne ist gesunken.«
70
Peter genoss es, in Katherines Fünfhundert-Quadratmetersechs-Zimmer-Wohnung auf der Park Avenue seinen morgendlichen Kaffee allein einzunehmen, aber dies währte nicht lange. Mit dem Summen der Sprechanlage wurde ihm mitgeteilt, dass Mona Elien gerade eingetroffen sei. Na, super!
Peters ersten Kondolenzbesuch stattete ihm die wahrscheinlich letzte Person ab, die er in diesem Moment hätte sehen wollen. Besonders allein in Katherines Wohnung.
Obwohl er Katherines beste Freundin bei zahlreichen Gelegenheiten getroffen hatte, kannte Peter sie nicht sehr gut und legte auch keinen Wert darauf. Es war nichts Persönliches, sondern eher etwas Professionelles.
Mona war Psychiaterin aus New York. Peter hasste Psychiater, egal aus welcher Stadt sie stammten. Hatte er schon als Kind getan.
Im Alter von zwölf Jahren hatten ihn seine Eltern dabei erwischt, wie er ihnen Geld aus der Brieftasche geklaut hatte. Seine Entschuldigung war, sein Taschengeld reiche nicht. Sie hielten ihm eine Standpauke, verdoppelten aber gleichzeitig sein Taschengeld in der Hoffnung, dass er nun nicht mehr versucht war zu klauen. Einige Monate später jedoch erwischten sie Peter erneut an ihren Brieftaschen. Erst jetzt verstanden sie, dass es egal war, wie viel Geld sie ihm gaben. Genug würde für ihren anstrengenden Sohn nie genug sein.
Er musste immer mehr haben.
Also brachten sie ihn zu einem Psychiater. Als dieser
nicht bis zu ihm vordringen konnte, schleppten sie ihn zum nächsten. Und von diesem wieder zum nächsten.
Peter entwickelte eine Abneigung gegen Psychiater. Er hielt sie für Sprüche klopfende, Notizen machende Schwindler, die schwachsinnige Fragen wie »Wie fühlst du dich damit?« stellten.
Er hielt es mit ihnen nicht gemeinsam in einem Zimmer aus. Es gab nur einen Ausweg, schloss er.
Sie anzulügen.
Seiner nächsten Psychiaterin erzählte Peter genau das, was sie hören wollte. Er sagte, er habe das Geld nur gestohlen, um Aufmerksamkeit von seinen Eltern zu bekommen, doch jetzt tue es ihm leid, ihnen solche Schmerzen und Sorgen bereitet zu haben.
Es funktionierte. Und zudem veränderte es sein Leben. Zum ersten Mal merkte er, dass er Weltmeister im Lügen werden konnte und zum Rechtsanwalt geboren war.
Zu einem verdammt erfolgreichen. Bevor er Katherine kennengelernt hatte, hatte er zwei Millionen Dollar im Jahr verdient. Das reichte jedem, um bequem leben zu können.
Zum Unglück für Katherine und ihre Kinder reichte es ihm nicht.
Er musste mehr haben.
Und er war auf dem besten Wege, es zu bekommen. Dazu brauchte er sich nur an seinen Plan zu halten. Der nächste Punkt? Katherines Freunde und Verwandte an der Nase herumführen, wie er es als Kind mit seinen Psychiatern getan hatte.
Wie passend, dass Mona Elien die Erste war.
Eine Seelenklempnerin.
Dann wollen wir mal mit der Sitzung beginnen.
71
Die Klingel an der Wohnungstür ertönte mit einer eleganten Glockenmelodie. Er hasste diese Klingel und würde sie noch diese Woche auswechseln lassen, ebenso wie die Klingel von Katherines Landhaus oben in Chappaqua.
Bevor Peter die Tür öffnete, warf er einen Blick in den mit Goldblatt verzierten Spiegel im Marmorflur. Er wollte sichergehen, dass er wie ein echter Hinterbliebener aussah.
Nicht unbedingt überzeugt von dem, was er dort im Spiegel sah, rieb er kräftig seine Augen, damit sie rot wurden, als hätte er die halbe Nacht geweint.
So. Viel besser.
»Danke, dass du gekommen bist, Mona«, begrüßte er sie, als er die Tür öffnete.
Sie erwiderte nichts, sondern starrte ihn nur an. Keine Tränen, keine tröstende Umarmung, bis sie endlich etwas sagte.
»Ich weiß, was du getan hast«, begann sie.
»Bitte?«, fragte Peter.
Es war ein reiner Refex. Er hatte ihre Worte genau verstanden, konnte aber nicht glauben, dass sie sie tatsächlich gesagt hatte.
Entspanne dich. Es gibt keine Möglichkeit, dass sie Bescheid weiß, sagte er sich.
Mona ließ ihn nicht aus den Augen, als sie die Wohnung betrat. Sie stellte ihre Handtasche auf die mit Seide bespannte Bank vor dem Spiegel im Foyer. »Ich sehe es in deinen Augen«, sagte sie. »Die Schuld.«
»Schuld?«
»Ja. Du machst dir Vorwürfe, seit Katherine und die Kinder verschwunden sind. Als würde es einen Unterschied machen, wenn du mit ihnen gefahren wärst.«
»Oh.«
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