Höllenzeit
ich finde. Er hat all die Zeit in einer Lethargie gelegen, doch plötzlich möchte er essen. Praktisch ohne eine vorherige Ankündigung uns gegenüber. Da scheint sich bei ihm etwas anzubahnen, denke ich.«
Ignatius legte den Löffel neben den Teller. »Es hat sich etwas verändert. Möglicherweise haben wir Bruder Shiram unterschätzt. Es kann sein, daß er diese Veränderungen gespürt hat. Menschen wie er sind oft übersensibel. Die spüren Dinge, die wir überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. Die achten dann auf gewisse Strömungen und können daraus ihre entsprechenden Schlüsse ziehen.«
Bentini wollte nicht so recht zustimmen. Er überlegte. Dann meinte er:
»Geschehen ist nicht viel. Sie haben das Kloster besucht, und ich weiß nicht einmal, ob er Sie wahrgenommen hat. Die letzte Nacht ist gut verlaufen. Es gab keine Schwierigkeiten. Er hat in Ruhe durchgeschlafen. Auch seine Feinde sind ihm nicht auf den Fersen. Wir warten auf John Sinclair, damit wir ihn von hier wegbringen können, wenn er geredet hat. Und das ist der springende Punkt. Bisher hatte er nur Fragmente zum besten gegeben, ich aber glaubte, daß er sich auf dem Weg zur Besserung befindet und dann sprechen wird, wenn John Sinclair hier erschienen ist. Dann wird er wieder soweit hergestellt sein wie nötig. Deshalb sollten wir auch versuchen, uns mit ihm zu beschäftigen, wenn er aus seinem Schlaf erwacht ist.«
»Ja, das dachte ich auch.«
Bentini hob die Schultern. »Fragt sich nur, wann das soweit sein wird.«
Ignatius aß den Teller leer, bevor er die nächste Frage stellte. »Glauben Sie, daß John Sinclair pünktlich eintrifft?«
»Nein. Im Tal hat es geschneit. Er wird seine Schwierigkeiten haben. Aber Sinclair ist nicht dumm. Sicherlich hat er Schneeketten mitgenommen. Ich rechne damit, daß er sich um eine oder zwei Stunden verspätet. Alles andere wäre unnormal.«
»Stimmt. Dennoch bleibt mein ungutes Gefühl.« Ignatius lehnte sich zurück. »Sein Wagen ist mit einem Telefon ausgestattet. Er kennt die Nummer des Klosters, er hätte anrufen können.«
»Wegen der Verspätung?«
»Ja.«
Bentini winkte ab. »Nehmen Sie doch nicht alles so tragisch, Bruder. Ich rechne damit, daß John Sinclair schon weiß, wie wir…«
»Nein, nein, Monsignore. So einfach ist das nicht. Ich kenne ihn, zudem habe ich ein dummes Gefühl. Ich kann es Ihnen nicht genau erklären, aber es fließt meinen Rücken hinab, und es sagt mir, daß sich etwas anbahnt. Wissen Sie eigentlich, daß es mir hier zu ruhig gewesen ist?«
Bentini kam da nicht mit. »Zu ruhig?«
»Ja, es war nichts los. Wir wissen, daß unsere Feinde nur darauf lauern, uns eins auswischen zu können. Es ist doch durchaus möglich, daß sie Bescheid wissen und versucht haben, unserem Besucher Steine in den Weg zu legen.«
»Nur eine Vermutung. Ihnen fehlen die Beweise.«
»Leider.«
»Wir werden trotzdem warten, Bruder.«
»Das versteht sich. Nur bin ich skeptisch. Halten Sie mich für einen alten Spinner oder Miesmacher, doch ich traue dem Braten nicht. Und ich sage Ihnen auch, daß wir es noch nicht geschafft haben. Sie haben mir erzählt, daß Sie Bruder Shiram gern im Hauptquartier im Vatikan haben wollen. Dagegen ist nichts einzuwenden, auch ich bin der Ansicht, daß er dort in Sicherheit ist. Aber…«, und jetzt legte Ignatius eine kleine Pause ein, »noch haben wir es nicht geschafft. Der Weg dorthin ist sehr weit. Da kann einiges passieren. Daß die Kreaturen der Finsternis mit allen magischen Wassern gewaschen sind, wissen wir beide, und sie werden auch zahlreiche Möglichkeiten kennen, um zu verhindern, daß Shiram sein Ziel erreicht.«
Der Monsignore lächelte freudlos. »Wenn man Sie hört, Bruder, klingt das pessimistisch.«
»Realistisch.«
»Sie haben niemals zuvor mit den Kreaturen der Finsternis zu tun gehabt, denke ich.«
»Zum Glück nicht.«
»Aber Sie tun so, als würden Sie diese genau kennen.«
»Das ist schon richtig. Ich weiß eben, welche Kräfte sie mobilisieren können. Ich habe die Angriffe schrecklicher Dämonen erlebt. Ich weiß nicht genau, ob sie zu den Kreaturen der Finsternis zählten, irgendwo gehören sie ja alle dazu, aber für mich steht fest, daß wir diesmal verdammt auf der Hut sein müssen. Wir können uns nicht den geringsten Fehler erlauben. Wir müssen sogar damit rechnen, daß sie hier im Kloster erscheinen und dabei mit allen Tricks versuchen werden, zumindest Shiram zu töten.«
Bentini nickte. »Im Prinzip denke ich auch
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