Höllenzeit
noch, dann senkte sich die Kühlerschnauze sehr langsam wie unter einem schweren Gewicht.
Unter dem Fahrzeug klatschte es, und plötzlich befanden wir uns nicht mehr auf der Straße, sondern im Wasser…
***
Ich blieb ruhig, denn Panik war genau das, was ich nicht gebrauchen konnte.
Wir schwammen. Es wurde auch so verdammt still um uns herum. Ich saß unbeweglich, war noch angeschnallt und schaute auf die weite Wasserfläche. Auf dem See trieben noch einige Eisschollen wie dicke Fettaugen auf der Suppe. Für einen irrwitzigen Moment überkam mich tatsächlich der Eindruck, in einem Bett zu sitzen, doch dem war leider nicht so. Ich hörte das schmatzende Gluckern und Schlürfen des Wassers, wobei wir tatsächlich in eine leichte Strömung geraten waren, denn wir trieben nach rechts hin ab und der Seemitte entgegen. Ich schaute auf Moran.
Er hatte sich so groß wie möglich gemacht, klemmte, vom Gurt gehalten in seinem Sitz und bekam den Mund nicht mehr zu.
Ob es ein Ausdruck der Angst war, konnte ich nicht beurteilen, es kam mir beinahe so vor, als hätte er Mühe, ein Lachen zu unterdrücken.
Ich bewegte mich vorsichtig und löste den Gurt.
»Wir dürfen auf keinen Fall die Nerven verlieren.«
»Klar, klar.« Moran hechelte mehr, als daß er sprach. »Das dürfen wir bestimmt nicht.«
»Bleiben Sie ruhig.«
»Okay.« Eine wie mir schien graue Zungenspitze huschte durch den Lippenspalt und fuhr wieder in die Mundhöhle zurück. Dann schnallte sich Moran los.
»Alles klar?«
»Noch, John. Ich frage mich nur, was ich getan habe, daß mir so etwas passieren muß.«
»Sie hätten zu Fuß gehen sollen.«
»Wie witzig.« Er umklammerte den Haltegriff. »Sagen Sie mal, John, gibt es da nicht einen Trick, wie man aus einem Wagen herauskommt, der dabei ist, abzusaufen.«
»Den gibt es.«
»Dann machen wir es wie im Film.«
»Das denke ich auch.«
»Nerven haben Sie.«
»Es geht.«
Das Wasser umspielte bereits mit gurgelnden Geräuschen meine Füße.
Es war irgendwo eingedrungen, die Stelle konnte ich nicht sehen, und die Strömung trieb uns weiter. Zum Glück nicht zu weit vom Ufer weg, doch das Gewicht des Fahrzeugs machte sich schon bemerkbar.
Wir sanken.
Es geschah wie in einem Zeitlupentempo. Zuerst senkte sich die Kühlerhaube noch tiefer, damit die Wellen sie überlaufen und bis gegen die Frontscheibe klatschen konnte.
Im Heck gurgelte etwas.
Wieder legte sich der Wagen nach vorn. Für einen Moment schlugen die Wellen sogar über die Frontscheibe hinweg, verliefen sich aber wieder, und als ich einen Blick nach rechts warf, da krabbelten sie bereits in Höhe der Seitenscheibe.
»Ich denke, jetzt wird es ernst, mein Lieber.«
»War es das nicht schon immer?«
Ich ging auf seine Bemerkung nicht ein, sondern sagte: »Wir warten bis zum nächsten Absacken. Dann werde ich die Scheibe nach unten kurbeln und das Wasser hereinströmen lassen. Klar?«
»Immer noch.« Er kicherte, was ich wieder völlig unmotiviert fand.
Der nächste Ruck erwischte uns. Als hätte sich jemand an der Bodenwanne festgeklammert. Ein schlimmes Geräusch entstand. Neben mir saß Moran, ohne sich zu bewegen. Er hielt den Mund offen, aus einem Winkel rann Speichel, beinahe schien er diesen intervallweisen Untergang zu genießen. Das Gurgeln, Schlürfen und Schmatzen tönte durch den Innenraum, als wären zahlreiche Wassergeister dabei, sich über uns zu amüsieren.
Wenn ich hier rauskam, konnte ich meinen Koffer vergessen und auch meinen Mantel. Es reichte auch aus, nur das nackte Leben zu retten.
Die Zeit verlief zwar normal, nur kam es mir nicht so vor. Ich hatte eher den Eindruck, alles langsamer zu erleben, um es auch auf eine gewisse Art und Weise genießen zu können, und ich wunderte mich darüber, wie sehr sich mein Begleiter in der Gewalt hatte. Wenn er überhaupt etwas tat, dann reagierte er sehr untypisch. Das Wasser stieg, weil wir gesackt waren. Nur noch ein Fensterspalt war frei, durch ihn floß die restliche Helligkeit des Tages, ansonsten kam ich mir vor wie in einer Suppenschüssel.
Das Wasser stieg weiter. Die Kälte biß an den Füßen. Dort bildete das Wasser eine schimmernde Pfütze. Ein häßliches Gurgeln übertönte unsere Atemzüge, der Wagen senkte sich noch einmal, dann gurgelte Wasser über das Verdeck hinweg.
»Jetzt sitzen wir in der Scheiße!« kommentierte mein Nebenmann. Seine Stimme hatte sich nicht so angehört, als würde ihn diese Tatsache sonderlich berühren.
Ich enthielt mich
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