Höllenzeit
stemmte mich dabei gleichzeitig gegen die Tür. An Moran dachte ich nicht mehr. Es ging jetzt um mein Leben.
Bewegte sich die Tür?
Ich bekam es nicht richtig mit. Meine Sinne waren nicht darauf eingestellt, etwas so schnell wahrzunehmen. Jedenfalls kämpfte ich verzweifelt, versuchte auch, den Druck zu verstärken und spürte dann, daß die Tür nachgab.
Ich kämpfte weiter.
Dabei hielt ich die Luft an. Nur nicht den Mund öffnen und dieses eisige Wasser schlucken. Die Tür schwang auf. Ich war frei!
Auf einmal und urplötzlich. Mein Körper trieb zur Seite und gleichzeitig nach vorn, hinein in das Eis, in die Hölle mit ihren unzähligen, kalten Armen, in den Tod, der alles vernichtete und erstarren ließ.
Ich bewegte mich. Arme und Beine zog ich an und streckte sie aus. Ein unheimlich starkes Gewicht hing an meinem Körper. Die nasse Kleidung wollte mich immer in die Tiefe zerren. Ich brauchte Luft, alles andere war jetzt egal. Ich paddelte einfach weiter und merkte nicht mal, daß ich mit den Füßen durch den Schlamm am Boden streifte.
Alles war mit einemmal hell. Die Sonne blendete mich, als ich die Augen aufriß, den Mund weit, weit öffnete und endlich die eisige Winterluft einsaugte.
Geschafft!
Luft bedeutet Leben.
Ich stand bis zur Brust im Wasser und atmete tief durch. Es war anstrengend, aber auch so herrlich, endlich die Lungen wieder volltanken zu können.
Aber die Kälte war gnadenlos. Meinen Körper spürte ich nicht mehr. Er hatte mich verlassen. Ich stand einfach nur da, umgurgelt von den Wellen, die hoch bis zum Kinn schwappten.
Irgend jemand versetzte mir einen Stoß. Es konnte die innere Stimme gewesen sein, denn es hatte keinen Sinn, wenn ich länger hier im See stand. Ich mußte weg, ans Ufer, die Sachen ausziehen und…
Das bei der Kälte!
Jedenfalls ging ich. Meine Hände spürte ich so gut wie nicht. Die Füße ebenfalls nicht. Die Beine bewegten sich wie starke, steife Äste, meine Füße wühlten den Schlamm am Grund auf, er kochte in Wolken hoch, aber ich machte weiter.
Nichts stoppte mich mehr, und ich erreichte das Ufer. Meine nassen Schuhe bewegten sich durch den Schnee. Ich ging weiter und wußte, daß ich nur nicht fallen durfte und dann liegenblieb.
Auch jetzt konnte ich noch erfrieren. Aber mein Instinkt war nicht abhanden gekommen. Ich ging in die Sonne. In dieser Lichtinsel war es viel wärmer als im Schatten. Irgendwie würde ich dort schon klarkommen.
Als ich mein Ziel erreicht hatte, da war es auch vorbei mit der Herrlichkeit. Plötzlich gaben meine Knie nach. Ich fiel in den Schnee.
Warum ich dabei lachte, wußte ich selbst nicht…
***
Schwester Anna hatte den beiden Männern ein Mahl serviert. Sehr einfach, aber schmackhaft. Kartoffeln, Gemüse, ein Eintopf mit Hammelfleisch.
In einem kleinen Nebenraum saßen sie sich gegenüber und aßen. Es stand hier nur ein Tisch, ansonsten war der Raum mit Bücherregalen bestückt, in denen es keine Lücken gab. Die Äbtissin war ein Büchernarr.
Es war Mittag, die Sonne schien, doch unten im Tal sah es anders aus.
Da fiel der Schnee in gewaltigen Mengen. Beide sorgten sich um ihren Besucher.
Am Tisch saßen sie sich gegenüber, aßen, hingen ihren Gedanken nach und schauten auf, als die Nonne mit der Reibeisenstimme den Raum betrat, jedoch abwartend an der Tür stehenblieb.
»Was ist geschehen?« fragte Bentini.
»Bruder Shiram rief nach mir.«
»Und?«
»Er wollte etwas essen.«
»Wie bitte?« Bentini ruckte den Stuhl zur Seite. »Er wollte wirklich etwas essen?«
»Ich lüge Sie nicht an, Monsignore. Ich habe ihm dann von dem Eintopf gebracht und ihn auch gefüttert. Es ging ganz gut, muß ich sagen. Dann hat er sogar ein Glas Wein getrunken.«
»Wein«, wiederholte Bentini, der die Wandlung noch immer nicht fassen konnte.
»Sogar Rotwein.«
»Wie schön für ihn. Es scheint ihm also besser zu gehen. Hat er sonst noch etwas getan?«
»Nein, Monsignore. Er ist nach dem Essen eingeschlafen. Er wollte sich ausruhen.« Die Schwester nickte den beiden Männern zu. »Ich werde mich wieder zurückziehen und bin in der Küche, falls sie mich brauchen. Ich räume dort auf.«
»Ja, ist schon recht.«
Als Schwester Anna den Raum verlassen hatte, drehte Bentini sich und den Stuhl. Er schaute Father Ignatius an, wobei er den Kopf schüttelte.
»Verstehen Sie das?«
»Nein, noch nicht.«
Der Monsignore starrte auf seinen Teller, als sähe er in den Resten des Eintopfs die Lösung. »Das ist so grundlos, wie
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