Höllische Versuchung
weigerst dich also, mit mir zusammen zu sein, weil ich ein Bouda bin«, sagte er. »Du kannst doch nicht im Ernst so kurzsichtig sein. Was du erlebt hast, ist schrecklich. Aber ich bin doch nicht einer von denen. Ich würde dir nie wehtun. Meine Familie, mein Clan, keiner würde dir etwas tun. Wir beschützen unseresgleichen.«
»Deine Herkunft ist das eine. Und wenn du nicht so ein typisches Boudamännchen wärst, könnte ich vielleicht darüber hinwegkommen. Mir geht es um Liebe, Raphael. Vielleicht verdiene ich sie nicht, nach dem, was ich schon alles getan habe, aber ich wünsche sie mir. Ich sehne mich nach Geborgenheit und nach einem Zuhause. Ich erwarte von meinem Mann, dass er monogam ist und Rücksicht auf meine Gefühle nimmt. Was hast du mir zu bieten? Du hast mit jedem Boudaweibchen, das nicht gerade zufällig mit dir verwandt ist, geschlafen. Jede hatte dich schon mal, Raphael. Sie wollten mir sogar erzählen, wie du so im Bett bist. Scheiße, du hast noch nicht mal bei deiner eigenen Art Halt gemacht. Du hast sie alle flachgelegt: Wölfinnen, Rättinnen, Schakalinnen … Für dich bin ich doch bloß ein weiteres seltsames Wesen, das du noch nicht besprungen hast. Mein Gott, du bist in einer Schakalin steckengeblieben, ihr wart beide in eurer Zwischengestalt, und Doolittle musste kommen und euch trennen. Was hast du dir dabei nur gedacht? Du bist über hundertfünfzig Pfund schwerer als sie und ihr seid noch nicht mal von der gleichen Art!«
»Ich war erst vierzehn«, knurrte er. »Ich wusste es einfach nicht besser. Und sie hat immer so aufreizend mit ihrem Po gewackelt … «
»Du bist wie ein gieriges Kind in der Eisdiele. Du willst alle Sorten probieren, türmst dir die bunten Kugeln in die Waffel und schlingst das Zeug runter, bis du nicht mehr geradeaus denken kannst. Du hast null Selbstbeherrschung. Warum sollte ich mich also mit dir einlassen? Beim nächsten aufreizenden Hinterteil bist du dann über alle Berge. Ich bitte dich.«
Ich schnappte mir eine Gabel, stach sie in das Fleisch und marschierte mit meinem verkohlten Steak aus dem Haus. Im Jeep fiel mir dann ein, dass ich ja meine Waffen und die Schlüssel drinnen liegen gelassen hatte. Das Einzige, was ich tun konnte, war, auf meinem Stück Fleisch herumzukauen. Mir war zum Heulen.
Ich war einfach total verkorkst. Ich gab mir solche Mühe, mich wie ein Mensch zu geben, und er, er warf mich einfach so aus der Bahn. Die Prügel, die Demütigungen, die Angst, all das hatte ich doch längst hinter mir gelassen. Bislang hatte es mir nie etwas ausgemacht, wenn ich mit Boudas zu tun hatte. Doch mit Raphael brach die ganze Vergangenheit wieder über mich herein und drohte, mich mit ihrem Schmerz zu ersticken.
Nur Kate, die Boudas und der Herr der Bestien kannten mein Geheimnis. Wenn das Rudel herausfand, dass ich eine Tiernachfahrin war, würde Curran mich beschützen. Der Herr der Bestien hatte über das Thema nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er einen Genozid an uns nicht dulden würde. Aber zumindest einige der Gestaltwandler würden mich hassen. Und wenn der Orden herausfand, was ich war, würden sie mich auf der Stelle vor die Tür setzen. Der Orden hielt nicht viel davon, Monster in den eigenen Reihen zu haben, es sei denn, sie waren hundertprozentig menschlich.
Hinter mir lagen Jahre des Versteckspiels, zunächst in meiner Jugend, dann während der mörderischen Ausbildung in der Akademie des Ordens. Wie oft war ich an meine Grenzen gestoßen, hatte physische und psychische Qualen ausgestanden und mich gewaltsam zu einem neuen Ich umformen lassen. Danach kam der Dienst für den Orden. Die ganze Zeit über hatte ich meine Fassung und mein Menschsein bewahrt und mit einem Mal wurde alles zunichtegemacht. Und wodurch? Durch Raphael, der mit seinen blauen Augen, warmen Händen und dieser Reibeisenstimme bei mir den Wunsch auslöste, mich an ihn zu kuscheln und zu schnurren …
Wie konnte ich mich ausgerechnet in einen verfluchten Bouda verknallen?
Vornübergebeugt, mit dem Kopf aufs Steuerrad gelehnt saß ich da. Warum hatte ich ihm nur alles erzählt? Was hatte mich bloß geritten? Seine Essenseinladung hätte ich einfach mit einem Lachen abtun sollen. Aber die Sache hatte schon seit Monaten an mir genagt und ich konnte einfach nicht anders. In mir waren Bitterkeit und Leere und am liebsten hätte ich aus voller Kehle Das ist nicht fair! gebrüllt, ohne genau zu wissen, warum.
Und es war nicht fair. Es war nicht fair,
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