Höllische Versuchung
Gelegenheit loszuschlagen.
Der Gang endete an einem runden Podium, von dem strahlenförmig kleinere Korridore abgingen. Mitten auf dem Podium stand Ghastek. Er war nicht sonderlich groß und von schlanker Gestalt. Der Ansatz seines hellbraunen Haares war schon etwas nach hinten gewandert, wodurch seine dunklen, durchdringenden Augen besonders hervorstachen. Von den maßgeschneiderten Hosen bis zu dem offen stehenden Hemd, dessen Ärmel fein säuberlich hochgekrempelt waren, war alles an ihm schwarz. Doch während die Farbe Schwarz bei Raphael Gefahr und Härte signalisierte, vermittelte sie bei Ghastek eher den Eindruck eines lockeren und lässig-eleganten Kleidungsstils. Es war eher eine Abwesenheit von Farbe als die Verkündung einer bestimmten Geisteshaltung.
Ghastek warf uns einen flüchtigen Blick zu, grüßte mit einem kurzen Kopfnicken und widmete sich wieder den drei jungen Personen, die neben einem Kontrollpult standen. Sie trugen identische schwarze Hosen, graue Hemden und Westen in einem dunklen Lila. Gesellen, Herren der Toten in der Ausbildung. Einer der drei, ein hochgewachsener junger Mann mit rotem Haar, stand stocksteif da, die Hände zu Fäusten geballt. Den Blick hatte er starr geradeaus auf eine Zelle gerichtet, in der ein Vampir an einer gespannten Kette saß.
Ghastek nickte. »Bist du bereit, Danton?«
»Ja, Meister«, stieß der Rothaarige hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Na schön. Fahr fort.«
Der Vampir begann zu zucken, als stünde er unter Strom.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Ghastek. »Denk daran: Keine Angst.«
Schleppend trat der Blutsauger zwei Schritte zurück. Die Gier in seinen rubinroten Augen ebbte ein wenig ab. Die Spannung auf der Kette ließ nach und sie schlug klirrend auf den Boden.
»Gut«, sagte Ghastek. »Maria, du kannst jetzt die Tür öffnen.«
Eine Gesellin mit langem, dunklem Haar drückte einen Knopf. Die Zellentür wurde langsam hochgefahren. Der Vampir regte sich nicht.
»Löse das Halsband«, befahl Ghastek.
Das Halsband schnappte auf.
»Lass ihn vortreten.«
Der Vampir machte einen zögerlichen Schritt vorwärts. Noch einen …
In seinen Augen flammte die Blutgier auf. Danton schrie. Mit glühenden Augen und aufgeklapptem Kiefer stürmte der Vampir auf uns los. Gewaltige Klauen schrammten übers Podium.
Keine Kanone.
Ich zückte mein Kampfmesser und stürzte los, doch Raphael kam mir zuvor. In einem präzisen Bogen schwang er sein Messer und hielt dann mitten in der Bewegung inne.
Der Vampir erstarrte. Er stand einfach da, wie eingefroren, einen klauenbewehrten Fuß auf dem Boden, während der Rest seiner Glieder in der Luft schwebte. Raphael hatte die Klinge kurz vor seiner Kehle abgebremst.
»Sie haben ausgezeichnete Reflexe«, sagte Ghastek. »Gestaltwandler?«
Raphael nickte bloß.
»Ich bitte Sie aufrichtig um Entschuldigung«, sagte Ghastek. »Im Moment lenke ich ihn, also wird er uns keine Scherereien mehr machen.«
Der Vampir machte einen Satz zurück und landete zu Ghasteks Füßen. Er legte sich flach auf den Boden, presste die Stirn auf die Steinplatten. Ghasteks Gesicht war keinerlei Anspannung anzumerken. Überhaupt keine.
Raphael trat beiseite und ließ das Messer zurück in die Scheide an seiner Hüfte gleiten.
Auf dem Podium war Danton zusammengebrochen. Er stöhnte leise und aus seinem Mund quoll weißer Schaum.
Aus einem der Seitengänge erschienen Sanitäter mit einer Trage, luden den Gesellen darauf und schnallten ihn fest.
Die beiden verbliebenen Gesellen starrten Danton schweigend und mit vor Entsetzen geweiteten Augen an.
»Ihr dürft jetzt gehen«, sagte Ghastek.
Sie nahmen Reißaus.
»Wirklich schade«, murmelte Ghastek leise.
»Was ist mit ihm geschehen?«, fragte ich.
»Angst. Korrekt ausgeführt ist die Berührung mit dem Geist eines Untoten, wenngleich für viele abstoßend, vollkommen harmlos.«
Der Vampir rappelte sich auf und stellte sich aufrecht hin. Im Leben war er einst groß gewesen, doch nun hatte sich sein Körper auf die Fortbewegung auf allen vieren umgestellt. Dennoch stand er kerzengerade. Wahrscheinlich kostete ihn das große Mühe, aber er sah Ghastek unverwandt ins Gesicht. Der Herr der Toten fixierte die beiden glühend roten Punkte. »Zeigt man hingegen Angst, kann das, wie Sie gerade gesehen haben, katastrophale Folgen haben.«
Der Vampir ließ sich auf alle viere fallen. »Vielleicht führen wir diese Unterredung lieber in meinem Büro fort.« Ghastek schenkte uns ein
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