Höllische Versuchung
ausdrucksloses Lächeln. »Bitte.«
Ich ging neben ihm her, Raphael war zu meiner Rechten, der Vampir zu Ghasteks Linken. »Das Lenken eines Vampirs lässt sich mit Wellenreiten vergleichen: Man muss oben bleiben, ansonsten schlägt die Welle über einen hinweg und zieht einen in die Tiefe. Danton hat sich leider ertränken lassen. Mit ein wenig Glück wird er seine kognitiven Fähigkeiten so weit zurückerlangen, dass er alleine essen und auf die Toilette gehen kann. Wenn er Pech hat, dann verbringt er den Rest seines Lebens in geistiger Umnachtung. Haben Sie Lust auf einen Espresso?«
Der Vampir rannte voraus.
»Nein, herzlichen Dank. Beim Anblick eines Menschen, dem Schaum vorm Mund steht, vergehen mir in der Regel Hunger und Durst.« Mir machte die Sache mit Danton zu schaffen, dabei wusste ich, dass die Verträge des Volkes und alles, was gerade geschehen war, keine Rechtsverletzung darstellte. Die Gesellen traten ihr Leben ab, wenn sie mit dem Volk ihren Vertrag schlossen.
»Ich bitte Sie abermals um Entschuldigung. Natürlich hätte ich die Prüfung verschieben können, aber Danton hat sich schon zweimal davor gedrückt, und das, nachdem er auch noch dreist geprahlt hat, wie gut er darin abschneiden würde. Ich dulde kein haltloses, selbstgefälliges Sich-zur-Schau-Stellen. Die Prüfung musste stattfinden wie vorgesehen. Er war eine Ausnahme. Die meisten Gesellen versagen, ohne gleich so melodramatisch zu werden.«
Wir erklommen die Stufen und bewegten uns durch ein Gewirr aus Gängen, bis Ghastek schließlich eine der Türen öffnete. Das Zimmer, in das wir traten, war geräumig und wirkte eher wie ein Wohnzimmer als ein Büro. Eine in einem warmen Rotton gepolsterte Garnitur bildete einen Halbkreis, in der Ecke stand ein schlichter Schreibtisch, die Regale waren mit Büchern gefüllt. Zur Linken blickte ich durch eine Tür in eine kleine Küche, in der sich ein Vampir zu schaffen machte. Zur Rechten bot eine vom Boden bis zur Decke reichende Fensterwand einen Blick von oben auf die Stallungen.
»Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Ich setzte mich aufs Sofa, Raphael nahm neben mir Platz und Ghastek setzte sich uns gegenüber. Der Vampir schlängelte sich ins Zimmer und bot Ghastek einen Espresso an. Der Herr der Toten nippte lächelnd und mit offensichtlichem Behagen an seinem Getränk. Der Blutsauger ließ sich zu Ghasteks Füßen nieder. Er bewegte sich so natürlich und Ghastek wirkte so entspannt dabei, dass es nur schwer vorstellbar war, dass der Herr der Toten ihn bis in die letzte Muskelzuckung kontrollierte.
»Ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte Ghastek. »In Kates Büro. Sie haben damals Ihre Waffen auf meinen Vampir gerichtet.«
»Sie haben meine Reflexe in Frage gestellt«, sagte ich.
»Im Gegenteil, ich war davon sehr beeindruckt. Deshalb habe ich Sie ja auch heute gebeten, Ihre Waffen abzulegen.«
»Sie haben also damit gerechnet, dass der Geselle scheitert?«
»Genau. Dieser spezielle Vampir wird auf 34500 Dollar geschätzt. Ich müsste mir fehlenden Geschäftssinn vorwerfen, wenn ich ihn einer Situation aussetzen würde, in der er ein Dutzend Kugeln in den Schädel bekommen könnte.«
Was für ein kalter, kalter Mann.
Ghastek nahm noch einen Schluck Espresso. »Ich nehme an, Sie sind hier, um den Gefallen einzulösen, den ich Kate schulde.«
»Ja.«
»Apropos Kate, wie geht es ihr?«
Diese vollkommen emotionslose Art, in der er fragte, machte mich ganz kribbelig.
»Sie ist auf dem Weg der Besserung«, sagte Raphael. »Und als Freundin des Rudels genießt sie seinen Schutz.« Raphael hatte bislang geschwiegen und ich wusste auch, warum. Jede seiner Äußerungen konnte vom Volk gegen das Rudel verwendet werden. Somit beschränkte er die Unterhaltung auf ein Minimum. Dennoch war seine Botschaft unmissverständlich.
Ghastek lachte leise auf. »Ich versichere Ihnen, dass Kate ganz gut auf sich allein aufpassen kann. Wenn jemand ihr gegenüber ausfällig wird, dann tritt sie ihm ins Gesicht. Stimmt es, dass sie während der Midnight Games ein rotes Schwert zerstörte, indem sie sich damit aufgespießt hat?«
Bei mir läuteten die Alarmglocken. »So habe ich es nicht in Erinnerung«, log ich. »Wenn ich mich recht entsinne, wollte einer der gegnerischen Mannschaft mit dem Schwert losschlagen. Kate hat den Schlag geblockt und beim Versuch, die Klinge loszubekommen, hat er sich selbst geschnitten. Das Blut von seiner Hand hat die Klinge splittern
Weitere Kostenlose Bücher