Hoellischer Verrat
ich das direkt hinter mich bringen oder es verschieben und womöglich komplett vergessen? Ich schnaufte unentschlossen und drehte das kleine Gerät zögernd in den Händen. Schließlich drückte ich eine Kurzwahltaste und wartete, bis ein Diener meine Mutter an den Hörer holte.
»Nikka.« Sie klang deutlich verstimmt. Natürlich war sie sauer, weil ich mich so vehement weigerte, wieder zu ihnen aufs Anwesen zu ziehen. Und dass ich ihren Wünschen mit so stoischer Gleichgültigkeit begegnete.
»Hallo«, sagte ich vorsichtig.
»Was gibt es?«, gab sie leicht schnippisch zurück.
»Es geht um die Kleider, die Eli mir nähen sollte.«
»Sag nicht, dass du sie wieder abbestellt hast.«
»Nein.«
»Was ist es dann?«
»Eli ist so weit, dass wir eine erste Anprobe machen können und da ich ihr nicht zumuten will, allein in meiner Gegend unterwegs zu sein, hatte ich ihr vorgeschlagen, sich wieder bei uns zu Hause zu treffen.«
»Zu Hause?«, echote meine Mutter argwöhnisch. »Ich denke, als dein Zuhause betrachtest du die Abstellkammer, in der du haust? Was sonst könnte dich daran hindern, bei uns wieder einzuziehen?«
»Mutter, bitte …«
»Ich wiederhole es gern noch einmal, mein Kind. Dein Vater und ich möchten, dass du diese seltsame Vorstellung von Wohnqualität hinter dir lässt und endlich wieder dort lebst, wo auch deine Familie residiert. Dort, wo du wohnst, in diesem schrecklichen Haus, mit all diesen komischen …«
»Mietern?«, schlug ich vor.
»Sag mir, wohnt auch nur ein einziger Blutdämon dort?«, keifte sie und ihre Stimme klang plötzlich seltsam schrill.
»Wie bitte?«, fragte ich verwundert.
»Du solltest bei deinesgleichen wohnen!«
»Meinesgleichen? Mutter, was willst du mir eigentlich sagen?«
»Du solltest dort nicht wohnen! Und auch dein Job zusammen mit diesen vielen Gestaltwandlern, Feuerdämonen und Ähnlichem …«
»Das sind meine Kollegen«, unterbrach ich sie scharf.
»Das ist der falsche Umgang für dich! Dort kommst du nur auf dumme Ideen, suchst dir unpassende Liebhaber und erwählst eine kleine Gestaltwandlerin als beste Freundin!«
»Mutter …«, flüsterte ich und mein Hals war ganz trocken, als ich ihrer hasserfüllten Rede lauschte. »Yaris, die »kleine Gestaltwandlerin « wie du sie plötzlich nennst, ist schon seit Jahren meine engste Freundin. Du kennst sie auch. Was ist passiert? So warst du doch früher nicht! Was hast du plötzlich gegen die anderen Dämonenrassen?«
»Sie sind mir egal.«
»Danach klingt es aber nicht.«
»Hast du angerufen, um über mich zu reden?«, schoss sie zurück.
»Nein, ich wollte einen Termin mit dir besprechen, aber ich hätte nie gedacht, was für eine Wendung unser Gespräch nehmen würde.«
»Es musste einfach mal gesagt werden«, erwiderte sie unnachgiebig.
»Aber es klingt, als hätten nur die Blutdämonen eine Daseinsberechtigung in deiner Welt. So eine Einstellung hattest du vor wenigen Wochen noch nicht! Erinnerst du dich an die großen Einladungen, die du gegeben hast? Die monatlichen Treffen des Großen Rats, die bei euch in Form eines eleganten Abendessens stattgefunden haben? Ich weiß noch, wie sehr du darum bemüht warst, dass die Lieblingsspeisen der unterschiedlichsten Rassen alle verfügbar waren. Und nun? Was ist passiert? Sag es mir!«
Meine Mutter schwieg beharrlich.
»Mutter?«
»Die Zeiten ändern sich«, sagte sie schließlich.
»Was?«, flüsterte ich.
»Kündige den Job und gib die Wohnung auf, Nikka.« Ihre sonst so weiche Tonlage hatte nun eine klirrende Kälte, deren eisige Spitzen sich schmerzhaft in meinen Kopf bohrten. »Es wird nicht mehr lange dauern und du wirst es mir danken.«
»Du machst mir Angst, weißt du das?«
»Bei uns brauchst du keine Angst zu haben.«
»Mutter! Hör auf, in Rätseln zu sprechen! Was weißt du? Hat Vater etwas über die Engel erzählt? Hat der Rat mehr Informationen als wir? Ist es das, was du andeuten willst?«
»Wann hast du den Termin mit Eli gemacht? Ich werde den kleinen Salon vorbereiten lassen.«
Völlig überrumpelt, wie brutal sie das Thema wechselte, hielt ich das Handy vor mein Gesicht und sah ungläubig auf den Lautsprecher.
»Nikka? Hallo?«, ertönte es, als ich nicht antwortete. »Hallo?«
Zögernd hielt ich das Telefon wieder an mein Ohr. »Ja?«
»Was hast du mit Eli ausgemacht?«
»Übermorgen halb fünf«, antwortete ich mechanisch. Irgendetwas stimmte hier nicht. Und da ich bereits seit Wochen das Gefühl hatte, dass
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