Hören was der Garten sagt - So bekommen Sie den grünen Daumen
Rostgarten
Die Umweltverschmutzung ist leider auch in der heimischen Natur allgegenwärtig. Vor einigen Jahren noch war es gang und gäbe, störende Abfälle einfach im Wald zu entsorgen. Während meiner Spazier- und Erkundungsgänge in den Wäldern der Umgebung stieß ich immer wieder auf solche wilden Müllhalden. Waschmaschinen, Fernseher, Badewannen, Glasflaschen – es gibt kaum etwas, dessen sich die Leute nicht auf diese Art und Weise entledigen. Vieles davon liegt schon seit Jahrzehnten im Wald und ist bereits stark verrostet. Kaum noch als das zu erkennen, was sie einmal waren, sehen alte Eimer, rostige Wannen und Metallteile oft wie kleine Kunstwerke aus. Jene, die mir gefallen, nehme ich deshalb meist mit nach Hause und suche für sie einen schönen Platz im Steingarten. Mit der Zeit entstand so ein eigener Bereich, für den sich im Laufe der Zeit die Bezeichnung Rostgarten eingebürgert hat.
Schrottreif im Blütenkleid
Am meisten fällt der Rostgarten eindeutig im Frühling nach der Schneeschmelze auf. Die Pflanzen sind dann noch recht klein, und so sind all die Gegenstände für das Auge gut ersichtlich. Neben einem korrosionsgeplagten Hufeisen öffnet ein kleines Polster des Hungerblümchens erste gelbe Blüten. Küchenschellen erheben ihre großen Kelche zwischen den Überresten einer alten Sense und einer kreisrunden Radfelge. Eine Ranke der besonders früh blühenden Clematis 'Pixi' kraxelt zwischen rostigen Speichen herum und lässt dort ihre strahlend weißen Blüten erblühen. Außerdem spitzeln überall Krokusse, Traubenhyazinthen, Fritillarien und andere Zwiebelgewächse der Märzsonne entgegen. Später, wenn alles ausgetrieben ist und immer mehr Pflanzen blühen, verschwinden diese Gegenstände allmählich zwischen Blattwerk und Blütenständen. Man muss dann schon genau hinsehen, um alles zu entdecken. Eine alte zerlöcherte Gießkanne wird von Feldthymian (Thymus vulgaris ) und dicht gefüllten Polsternelken (Dianthus) in Rotviolett umgarnt. Im Hintergrund greifen Scheinakelei (Aquilegia ecalcarata ) , Wiesenglockenblumen (Campanula patula ) und Bartfaden (Penstemon hirsutus ) das violette Farbthema auf. An anderer Stelle präsentiert die nur zehn Zentimeter hohe japanische Fächerakelei ihre hübschen Blüten neben einer ausgedienten Kartoffelpüree-Presse, die bereits Moospölsterchen angesetzt hat. Gleich daneben findet man die majestätische Gestalt einer niedrigen Bartiris-Sorte direkt beim zerfallenen Metallgehäuse einer Schreibmaschine. Etwas hochmütig blicken ihre dunkelvioletten Blüten aus gerade mal 30 Zentimeter Höhe auf eine kleine schneeweiße Zwergglockenblume (Campanula cochlearifolia) herab. Diese schiebt ihre zahlreichen Triebe zwischen den Sprungfedern eines alten Fahrradsattels hindurch. Im Herbst blüht an dieser Stelle die wunderschöne, dicht gefüllte Herbstzeitlose 'Waterlily'. Tatsächlich erinnern ihre großen Blüten sofort an Seerosen. Gerade in Kombination mit dem Fahrradsattel erscheint sie darum wie aus einer anderen Welt.
Ziemlich ungewöhnlich wirken die großen Blüten der gefüllten Herbstzeitlose ‘Waterlily’, die ohne Blätter direkt aus dem Boden zu wachsen scheinen.
Die Schönheit des Vergänglichen
Wie auch an anderen Stellen in meinem Garten ist es auch im Rostgarten wieder die Hauswurz, deren Präsenz das ganze Jahr über erfreut. In alte Teetassen, Schüsseln und Blechdosen gepflanzt, ist sie eine anspruchslose Zier, die auch mit wenig Boden zum Leben noch ein Fortkommen findet und wächst. Manchmal wird eine meiner Rostskulpturen derart von den Pflanzen überwuchert, dass ich sie umsiedeln muss, damit sie nicht irgendwann komplett unter ihnen verschwindet. Der Wollige Thymian hätte so beinahe die Metallspitze einer alten Harke unter sich begraben. Aber auch sonst stelle ich immer wieder mal etwas um, und so zeigt der Rostgarten ständig ein neues Gesicht. Betrachtet man ihn eine Weile, muss man unweigerlich an frühere Zeiten denken. Jeder Gegenstand hat seine eigene Geschichte. Wie viel Gras mochte die stumpfe Sense zu ihren „scharfen Zeiten“ wohl geschnitten haben und wie viele Briefe die Schreibmaschine geschrieben? Wessen Hintern saß auf dem alten Fahrradsattel und welche Blumenarten wuchsen in den Gärten, als die löchrige Gießkanne noch neu war und regelmäßig zum Einsatz kam? So ein Rostgarten ist ein Ort, der die Fantasie anregt, aber auch ein Ort voller Inspiration. Er hat seine ganz eigene Persönlichkeit und
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