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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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keine Veranlassung. Er erinnerte sich nur an zwei Anrufe in den vergangenen drei Jahren. Beide Male hatte er ihr mitgeteilt, dass er später als morgens angekündigt heimkäme, weil er noch einen nicht angemeldeten Patienten angenommen hatte – Notfälle, so etwas kam hin und wieder vor, zum Glück nur selten.
    Patrizia ihrerseits hatte ihn im vergangenen Jahr mehrfach angerufen. Sie kannte schließlich die Zeiten, zu denen er Kaffeepause machte. Jedes Mal war es um Handwerker gegangen, die nach einem Wasserrohrbruch auf sich warten und sich von ihr nicht aufscheuchen ließen. Darum hatte er sich dann in der nächsten Pause kümmern müssen.
    Dass ihn eine Patientin an die ersten Therapiestunden mit ihr erinnert hatte, damit wollte er sie keinesfalls behelligen. Sie noch einmal daran zu erinnern, dass er am Nachmittag mit ihr die Einkäufe fürs Wochenende machen wollte, war überflüssig. Das würde sie garantiert nicht vergessen, weil sie seine versteckte Ankündigung einer langen Liebesnacht herausgehört hatte, da war er sicher. Und behaupten, er wolle nur kurz ihre Stimme hören, weil ihm der vergangene Abend nicht aus dem Sinn ginge … Dann glaubte sie vielleicht, er wolle sich seine Fähigkeiten als Liebhaber bestätigen lassen. Das hatte er nicht nötig.
    Es klingelte sechs- oder siebenmal, ehe er stutzig wurde. Er kannte den Tagesablauf seiner Frau, was nicht bedeutete, dass er sie kontrollierte. Das war gar nicht notwendig. Sie hatte feste Gewohnheiten. Um diese Zeit hätte sie eigentlich in der Küche sein müssen, um sich einen kleinen Imbiss anzurichten, weil sie sich beim Frühstück wochentags mit einem Kaffee begnügte. Morgens um acht brachte sie noch keinen Bissen herunter.
    Wenn sie noch nicht telefoniert hatte und das Mobilteil noch auf der Basisstation stand – bis in der Diele waren es nur wenige Schritte. Sie hätte schon nach dem dritten Klingeln abgehoben. Vielleicht war sie in den Keller gegangen, um sich etwas aus dem Vorratsraum zu holen. Dann hetzte sie jetzt wohl die Kellertreppe hoch. Er rechnete damit, in der nächsten Sekunde ihr atemloses «Bracht» zu hören. Aber es tutete nur weiter.
    Nach dem zwölften Klingeln legte er den Hörer zurück, strich sich einmal flüchtig mit den Fingerspitzen über die Lippen und überlegte, ob sie irgendetwas angekündigt hatte.
    Sie ging nicht oft aus dem Haus und machte deshalb aus jedem Schritt vor die Tür ein Thema, vor allem, wenn dieser Schritt zum Bahnhof führte. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln hatte sie ein kleines Problem, aber das war nicht der Rede wert. Sie hatte auch nichts gesagt, weder heute Morgen noch gestern Abend.
    Wahrscheinlich war sie im Garten. Dort konnte sie sich stundenlang beschäftigen und vergaß darüber oft die Zeit. Und bei dem bewölkten Himmel, aus dem es jeden Moment zu tröpfeln beginnen konnte, gab es garantiert noch etwas zu tun, was bei durchnässter Erde nicht mehr so viel Spaß machte.
    Draußen hörte sie das Klingeln nicht. Auf die Idee, das Telefon mit ins Freie zu nehmen, kam sie nie. Darüber hatten sich sowohl ihre Schwester als auch ihr Vater schon mehr als einmal beschwert. Wobei Edmund den Verdacht hatte, dass sie bei gewissen Anrufen später nur behauptete, im Garten gewesen zu sein. Sie sah ja, welche Nummer angezeigt wurde. Dass er sie einmal dringend erreichen müsste, erwartete sie offenbar nicht.
    Aber wirklich dringend war es ja auch gar nicht. Er beschloss, es später noch einmal zu versuchen. Bis dahin war ihm wohl auch eine unverfängliche Frage eingefallen.
    Er hörte noch kurz in die Sitzung mit dem Lehrer hinein, machte sich ein paar Notizen und trank dabei seinen Kaffee. Wenig später verließ er die Praxis, um in einer nahegelegenen Sushi-Bar ein paar Happen zu essen. Über Mittag fuhr er nie nach Hause, die Zeit reichte nicht. Er brauchte eine halbe Stunde vom Rudolfplatz bis Pulheim, da hätte er gleich wieder kehrtmachen können, weil er nur eine Stunde Mittagspause machte.
    Als er zurückkam, probierte er noch einmal, Patrizia zu erreichen. Übers Sushi war ihm eine unverfängliche Frage eingefallen: «Was hältst du davon, wenn ich uns auf dem Heimweg Zanderfilets für heute Abend besorge?»
    Sie nahm wieder nicht ab, obwohl er es diesmal endlos lange klingeln ließ und es zu nieseln begonnen hatte, womit ein Aufenthalt im Garten auszuschließen war. Dann hatte sie das Haus wohl doch verlassen. Möglicherweise war ihre Schwester wieder mal überraschend hereingeschneit und

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