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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Intimitäten Schramm vor Polizisten ausgebreitet hatte. Ihr Zusammenbruch war für Edmund damit hinreichend erklärt: abgrundtiefe Scham und vernichtende Schuldgefühle Albert Retling gegenüber.
    Bevor er sich zum sechsten Mal mit ihr hinsetzte, bat er Paul noch einmal zu einem Gespräch. Aber der dachte gar nicht daran, die erbarmungswürdige Verfassung seiner Jüngsten auf seine Kappe zu nehmen. Als er begriff, worauf Edmund abzielte, legte Paul die letzten Karten auf den Tisch.
    Leicht fiel es ihm nicht, Patrizia als Gangsterliebchen bloßzustellen, verlogen und verdorben, mit falschen Schwüren schnell bei der Hand, um zwei Sonntagnachmittage mit diesem Scheusal herauszuschinden, obwohl sie den Kerl doch angeblich gar nicht mehr sah.
    «Ehrlich, Papa, ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, mit Heiko habe ich nichts mehr zu tun. Sollte er noch einmal in meiner Nähe auftauchen, werde ich ihm sagen, er soll sich zum Teufel scheren, wo er hingehört.»
    Zweimal war Paul auf derartige Sprüche hereingefallen und hatte sie sonntags ausgehen lassen, weil sie samstags aus Sicherheitsgründen in Dorotheas Wohngemeinschaft nicht mehr die Kinder hüten durfte. Zu dem Zeitpunkt war Paul noch überzeugt gewesen, Patrizia hätte das Scheusal in der WG kennengelernt. Dass er sich in dem Punkt irrte, hatte er erst im Zuge der polizeilichen Ermittlungen erfahren.
    Als Patrizia angeblich mit einer Freundin aus der Berufsschule in ein Kölner Kino wollte, war Paul noch völlig ahnungslos. Vom Film konnte sie anschließend erzählen, aber keine Eintrittskarte vorweisen. «Die habe ich weggeworfen, Papa. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du die sehen willst. Beim nächsten Mal bringe ich die Karte mit, versprochen.»
    Und weil es noch mehr junge Männer gab, die einem siebzehnjährigen Mädchen zum Verhängnis werden konnten, bat Paul vor dem zweiten Kinobesuch eine junge Frau aus seiner Abteilung beim Landschaftsverband um einen kleinen Gefallen. Sich selbst an Patrizias Fersen zu heften schien ihm nicht geraten. Sie hätte ihn vermutlich rasch bemerkt. Aber eine ihr völlig Unbekannte, die ohnehin in denselben Film wollte … Im Kino war Patrizia, allerdings nicht in Begleitung einer Freundin und auch nicht mit einem anderen jungen Mann, sondern mit Schramm.
    Erneut gab es Hausarrest. Es half nur nichts, traf sie den Dreckskerl eben wieder morgens oder abends in Bus und Bahn. Paul konnte sie nicht täglich nach Raderthal fahren und wieder abholen. Und Albert Retling fühlte sich auch noch verpflichtet, ein gutes Wort für die Liebenden einzulegen. Alwine Retling hatte Patrizia mal zufällig mit Schramm gesehen, nahe der Bushaltestelle, in einer eindeutigen Pose. Es hätte ihr beinahe das Herz zerrissen, diesen Abschied zu beobachten, hatte Alwine ihrem Mann erzählt.
    Und kurz darauf sagte Albert Retling: «Lass sie doch, Paul, mein Gott, in dem Alter. Wir waren doch auch mal jung und haben nach Möglichkeiten gesucht, unseren Schatz zu treffen, weißt du das nicht mehr? Um den Altersunterschied würde ich mir an deiner Stelle nicht so viele Gedanken machen. Ein Mann Mitte zwanzig hat garantiert mehr Erfahrung und Verantwortungsgefühl als ein Junge in ihrem Alter. Wenn er nicht der Richtige für sie ist, merkt sie das schon. Aber sie muss von alleine darauf kommen. Mit deinen Verboten richtest du nichts aus. Im Gegenteil.» Ein kluger Mann. Edmund hätte es nicht besser formulieren können.
    Auch Patrizias Mutter sagte inzwischen: «Wenn du dich nur halb so viel darüber aufregen würdest, wäre die Sache längst ausgestanden, Paul. Lass sie mal eine Weile in Ruhe, dann wird sie schon feststellen, dass dieser Schramm nicht der ist, für den sie ihn hält. Wenn nicht, wird Dorothea ihr die Augen öffnen, das hat sie schon angekündigt.»
    Aber ehe Dorothea ihre Ankündigung in die Tat umsetzen konnte, kam dieser verfluchte Morgen, an dem Patrizia über starke Bauchschmerzen klagte.
    «Wir haben uns nichts dabei gedacht», erzählte Paul. «Sie hatte oft Krämpfe, wenn sie ihre Periode bekam. Meine Frau hat ihr eine Wärmflasche gemacht und geraten, im Bett zu bleiben. Es war kurz nach sechs, noch viel zu früh, um bei Retlings anzurufen und sie zu entschuldigen. Das wollte meine Frau später machen. Sie hat es auch ein paarmal versucht, abgehoben wurde erst nach neun. Um neun kam immer die Haushaltshilfe. Sie hatte ebenfalls Schlüssel für die Haustür, hat Albert und Alwine gefunden und die Polizei alarmiert. Vermutlich

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