Hörig (German Edition)
Mann nicht irgendwas aufschreiben? Du kannst doch nicht einfach ohne ein Wort von hier verschwinden.»
«Warum nicht?», fragte sie, doch dann besann sie sich. «Hast du einen Stift?»
Er griff in eine der Jackentaschen, zog einen Kugelschreiber heraus und hielt ihn ihr hin. Sie ging noch einmal zum Tisch, drehte den Zeitungsfetzen mit dem alten Foto zu sich herum, wirkte ein bisschen unschlüssig, lächelte verlegen, zögerte sekundenlang, als müsse sie sich erst ein paar Worte zurechtlegen, ehe sie auf den Rand schrieb: «Es tut mir leid, Ed.»
Heiko las mit und runzelte die Stirn. Als sie ihm den Kugelschreiber zurückgab, fragte er: «Mehr hast du ihm nicht zu sagen? Und du denkst, das reicht?»
Sie nickte nur.
«Vielleicht hast du recht», meinte er. «Hast ihm ja sicher mehr als einmal erzählt, wie das war mit uns. Da kann er sich den Rest bestimmt denken.»
Sie drehte sich um und ging rasch auf die Haustür zu. Im Vorbeigehen nahm sie ihre Handtasche von der Garderobe und hängte sie sich mit dem Riemen über die Schulter. Ihr Herz hatte aufgehört zu flattern. Es war jetzt ganz steif vor Erwartung und Schuldgefühl.
Es tut mir leid, Ed.
Etwas anderes konnte sie nicht denken.
Der kleine Koffer war nicht schwer. Heiko nahm ihn ihr trotzdem aus der Hand, wie sich das für einen Gentleman gehörte. Dann griff er nach ihrem Ellbogen und führte sie die drei Stufen hinunter, über den schmalen Plattenweg im Vorgarten auf die Straße zu. Es war nur eine leichte, galante Berührung, aber sie hatte etwas Besitzergreifendes und wirkte auf sie wie ein Stromschlag. Obwohl sie nur den Druck seiner Hand spürte und sonst nichts, begann sie zu zittern.
Ein Stück vom Haus entfernt stand ein älterer, unscheinbarer grauer Ford Fiesta am Straßenrand. Heiko hielt ihren Arm auch noch, nachdem er die Beifahrertür für sie geöffnet hatte. Er ließ sie erst los, als sie einstieg. Und dabei sagte er: «Ich bin wirklich froh, dass du mitkommst, Püppi. Damit hatte ich nicht gerechnet.»
Er blieb neben der Wagentür stehen und schaute zu, wie sie mit dem Sicherheitsgurt hantierte, als hätte er Angst, sie könne es sich im nächsten Augenblick noch einmal anders überlegen und aus dem Auto springen.
Sie lächelte ihn an. «Natürlich hast du damit gerechnet.»
Da grinste er. «Ja, irgendwie schon. Aber nur als ich herkam. Da hab ich dich noch so gesehen wie damals. Als ich mir dann die Bude genauer angesehen hab, war ich mir überhaupt nicht mehr sicher. Da dachte ich, Retling hat recht, Püppi hat’s geschafft. Was die erreicht hat, kann ich ihr nicht bieten, vorerst jedenfalls nicht. Und wenn ihr Macker auch noch gut im Bett ist, hustet sie mir was. Weißt du, ich hab in den letzten Jahren oft gedacht, dass es ein Fehler war, mit dem Sex zu warten. Ich hätte dir damals mal richtig zeigen müssen, wie’s läuft. Wenigstens einmal. Aber das holen wir nach, Püppi, versprochen. Und wenn dein Mann gut ist, ich bin besser. Du wirst es erleben.»
Dann warf er die Autotür mit einem harten Ruck zu, ging um den Wagen herum, legte ihren Koffer auf die Rückbank und stieg ebenfalls ein.
Als er losfuhr, begann es zu nieseln. «Sieh an», sagte er und betätigte den Scheibenwischerhebel. «Der Himmel gibt seinen Segen dazu.» Danach schwieg er.
Er fuhr nicht zu schnell, aber dennoch zügig. Sie wünschte sich, er hätte weiter mit ihr gesprochen. Aber es gab offenbar nichts mehr zu sagen. Sein Gesicht wirkte entspannt und zufrieden. Minutenlang betrachtete sie sein Profil. Er bemerkte es, hielt den Blick jedoch auf die Straße gerichtet, schien voll und ganz auf den Verkehr konzentriert. Das musste er wohl auch sein nach sieben Jahren Zwangspause.
Das Auto war schmuddelig und stank nach kaltem Zigarettenrauch. Der Aschenbecher stand offen und quoll über, drum herum war Asche verstreut. Sie stellte sich unweigerlich vor, wie er auf dem Weg zu ihr eine Zigarette nach der anderen geraucht hatte. Früher war er ein starker Raucher gewesen, aber früher hatte der Geruch sie nicht gestört.
Nach ein paar Minuten lehnte sie sich im Sitz zurück und versuchte sich auszumalen, wie es weitergehen würde. In ihrem Kopf wetteiferten verschiedene Möglichkeiten miteinander.
Es tut mir leid, Ed.
Vielleicht hätte sie doch etwas mehr schreiben sollen als nur diesen Satz. Als sie an ihrem zweiten Hochzeitstag, vielmehr in der Nacht, begriffen hatte, dass Eddi sich mit dem Thema Heiko nicht mehr auseinandersetzen konnte oder
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