Hörig (German Edition)
sonst tun? Am besten knall ich meinen Schädel gleich draußen gegen die Mauer. Vielleicht hilft’s. Ich hatte es mir ja schon ein bisschen anders vorgestellt, kannst du glauben. Obwohl ich nie was von dir gesehen oder gehört hab, hab ich mir immer eingeredet, dass du da bist, wenn ich rauskomme. Ich glaub, ich wär durchgedreht, wenn ich mir nicht jeden Tag vorgebetet hätte, dass wir da weitermachen können, wo wir aufhören mussten. Weißt du noch, wie wir weitermachen wollten?»
Sie versuchte zu nicken. Es ging nicht, weil er ihren Kopf mit den beiden Fingern hielt, als hätte er ihn in einen Schraubstock gespannt. Er las die Zustimmung wohl in ihrem Blick und erklärte: «Aber jetzt bist du verheiratet mit ’nem Psychofuzzi. Mach dir bloß keine Gedanken deswegen, ich versteh das. Ehrlich, ich mach dir keine Vorwürfe, bin auch nicht sauer auf dich, wirklich nicht. Ich komm schon irgendwie klar damit, ich pack das.»
Er machte eine kleine Pause, als sei ihm da gerade erst etwas aufgefallen. Dann lächelte er ungläubig.
«Aber du fragst so komisch. Willst du etwa mit?»
Noch bevor sie darauf reagieren konnte, meinte er hastig: «Püppi, das ist jetzt aber nicht dein Ernst. Überleg dir das gut. Du hast hier ’n tolles Leben. Ich meine, ich weiß ja nicht, wie du mit deinem Mann klarkommst, ob er dich rumkommandiert, dir verbietet, alleine vor die Tür zu gehen, wie dein Vater das damals gemacht hat. Aber das Haus und alles, das kann ich dir nicht bieten. Jetzt noch nicht.»
Wie zur Bekräftigung der letzten Bemerkung schüttelte er den Kopf. Dann geriet er ins Stammeln: «Ich meine, später würd’ ich’s natürlich können. Und ich hätt’ bestimmt nichts dagegen, wenn du mitkommst. Das wär phantastisch, das wär einfach … das wär … Ich … ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll. Ich bin total platt, weißt du.»
Er stieß die Luft aus und hob die Augen zur Zimmerdecke. «Puh», machte er. Dann lachte er erleichtert und befreit.
Sie hatte ihm immer noch nicht geantwortet. Und er sagte: «Ich fass es nicht. Du meinst das wirklich ernst. Du hast nich’ vergessen, was ich damals für dich getan hab. Püppi, du bist …»
Er brach ab, als fehlten ihm erneut die Worte, sammelte sich, rang dem Anschein nach um Fassung und erklärte dann mit beherrschter Stimme: «Aber das kann ich nicht annehmen. Das kann ich wirklich nich’ zulassen. Du darfst hier nich’ alles stehen und liegen lassen, nur weil du dich mir verpflichtet fühlst. Das ist es doch, oder?»
Der Griff um ihr Kinn wurde noch fester, sodass es ihr unmöglich war, ein Kopfschütteln auch nur anzudeuten. Sein Blick war dunkel wie ein schwarzes Loch im All, das alles um sich herum aufsaugte und nie wieder freigab.
«Püppi», verlangte er ernst, «mach mir jetzt nichts vor. Sei ganz ehrlich. Ist es nur das? Fühlst du dich verpflichtet? Oder liebst du mich noch?» Dann kam dieses Flehen in seine Stimme, das sie kaum ertrug: «Nur ein bisschen, Püppi? Mit ein bisschen Liebe wär ich für den Anfang schon vollauf zufrieden. Der Rest kommt nach, da bin ich sicher. Wenn wir uns erst wieder aneinander gewöhnt haben, ist es bald genauso wie früher.»
Die Finger unter ihrem Kinn lockerten den Griff ein wenig, gaben ihr etwas Spielraum für das Nicken. Er nickte ebenfalls zufrieden und erleichtert, fragte trotzdem noch einmal: «Und du machst mir jetzt nichts vor?»
Diesmal schüttelte sie den Kopf.
«Dann pack ein paar Sachen zusammen», sagte er. «Was du so brauchst für die nächsten Tage. Muss nicht viel sein. Wenn wir ’ne gute Woche weiter sind, kannst du dir alles kaufen, was du willst. Hast du etwas Geld im Haus? Ich bin momentan nicht so flüssig.»
Sie nickte noch einmal.
Er blieb in der Küche zurück, während sie hinauf ins Schlafzimmer ging und einen kleinen Koffer packte. Nebenan lag Eddis Arbeitszimmer, wo eine unverschlossene Geldkassette im Schreibtisch stand. Zweihundert Euro lagen drin – für einen Handwerker, der in den nächsten Tagen vorbeikommen sollte und bar bezahlt werden wollte. Sie nahm die gesamte Summe.
Als sie ein paar Minuten später wieder die Küche betrat, wirkte Heiko überrascht. «Das ging aber fix», meinte er mit einem Lächeln, das sie nicht deuten konnte. Vielleicht war er einfach nur glücklich. «Du musst es ja verdammt eilig haben, hier wegzukommen. War wohl doch nicht so das Wahre, oder?»
Sie schüttelte den Kopf und wollte zur Haustür. Da fragte er: «Willst du deinem
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