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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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hatte sie zu einem Essen in Köln und einem Stadtbummel überredet.
    Dorothea arbeitete freiberuflich als Graphikerin und konnte sich ihre Zeit einteilen. Um ihre Tochter musste sie sich keine Gedanken machen, die wurde, wenn sie aus der Schule kam, von einer älteren Nachbarin beaufsichtigt. Aus der Wohngemeinschaft lediger Mütter war Dorothea vor einigen Jahren ausgezogen, weil sich zuletzt alle darauf verlassen hatten, dass sie daheim war. Zum Arbeiten war sie unter diesen Umständen nicht mehr gekommen.
    Ob Patrizia mit ihrer Schwester unterwegs war, ließ sich leicht herausfinden. Die Handynummer seiner Schwägerin kannte Edmund nicht auswendig, aber sie war in seinem Handy gespeichert, das in seiner Jacke steckte. Er holte es, wählte und hatte schon zwei Sekunden später Dorotheas erstaunte Stimme im Ohr.
    «Eddi, was liegt an? Ein Erdbeben in der mittelrheinischen Tiefebene oder ein Vulkanausbruch in der Eifel?» Sie wunderte sich, weil er sie bis dahin noch nie angerufen hatte.
    «Ich kann Patrizia daheim nicht erreichen», begann er und wurde sofort unterbrochen.
    «Ups, dann hat der Klempner sie wahrscheinlich entführt.»
    «Ich wollte fragen, ob sie den Klempner überhaupt schon angerufen hat oder ob ich das machen soll», sagte er.
    «Das kann ich dir leider nicht beantworten», erwiderte Dorothea. «Versuch dein Glück doch mal bei Paulchen. Wahrscheinlich hat der sie an seine Seite zitiert. Er hatte heute Morgen wieder Stiche und so ein komisches Ziehen in der Brust. Und mir fehlte die Zeit, einem Sterbenden den Angstschweiß von der Stirn zu tupfen.»
    Edmund bedankte sich für die Auskunft und legte auf. Bei seinem Schwiegervater rief er nicht an.
    Seit dem Tod seiner Frau vor acht Monaten litt Paul alle naselang unter Herzbeschwerden, für die noch kein Kardiologe eine körperliche Ursache entdeckt hatte. Weil er bisher nur von Stümpern untersucht worden war, behauptete Paul. Dass seine Beschwerden rein psychischer Natur seien, wovon auch Edmund überzeugt war, wollte der Tyrann nicht hören.
    Paul wurde nicht fertig mit dem Alleinsein. Wen sollte ein Kommandeur befehligen, wenn niemand mehr da war? In jede kleinere Abweichung vom Normalen steigerte er sich regelrecht hinein, schrie immer gleich nach Notärzten und den Töchtern. Und da Dorothea jeden Anruf mit «Paulchen, du kannst keinen Herzinfarkt haben, du hattest nie ein Herz» kommentierte, musste eben Patrizia springen und die Pflichten einer guten Tochter erfüllen, obwohl sie entschieden mehr unter ihrem Vater gelitten hatte als ihre Schwester.
    Darüber durfte Edmund gar nicht nachdenken, sonst empfand er unweigerlich noch einmal diese Wut, die ihn damals in seinen vermeintlich so sicheren Grundfesten erschüttert hatte, nachdem er über Schramms hirnrissiges Verhalten nach dem Überfall gestolpert war und sich dessen vollständige Aussage noch ein zweites Mal zu Gemüte führte.
    Und damit hatte Paul Patrizia konfrontiert, ihr seitenweise und immer wieder aufs Neue Schramms Ergüsse vorgelesen! Ebenso gut hätte Paul sie mit eigener Hand massakrieren können, fand Edmund.

    Da war in der Hauptsache natürlich der Raubüberfall mit schwerer Körperverletzung. Eine große Erschütterung für die sensible Psyche eines jungen Mädchens. Der Mann, den sie liebte, stahl ihr zwei Schlüssel aus der Tasche, überfiel einen Mann, den sie verehrte und in ihren Tagebüchern wiederholt als «feinen Menschen» bezeichnet hatte, raubte ihn aus und schlug ihn fast tot.
    Edmund fragte sich, wann sie davon erfahren hatte. Bestimmt nicht erst als ihr Vater berichtete. Es war anzunehmen, dass sie schon kurz nach dem Überfall durch die Polizei befragt worden war. Tagebucheintragungen gab es ab diesem Zeitpunkt keine mehr. Auch vorher wurde der Raubüberfall mit keinem Wort erwähnt. Folglich musste das für sie völlig überraschend gekommen sein. Und bis zur Urteilsverkündung hatte sie Schramm garantiert für unschuldig gehalten.
    Es war ebenso anzunehmen, dass die Polizei auch sie nach seinem Komplizen gefragt hatte. Da hatte sie wahrscheinlich geglaubt, ein geldgieriger Freund sei der wahre Täter und ihr Herzallerliebster schweige aus Angst um sein und ihr Leben.
    Armes Ding, dachte Edmund mehr als einmal, verliebt und verraten. Zur Urteilsverkündung geschleppt, wo vermeintliche Lügen zur Wahrheit wurden. Um sich danach in abendlichen Märchenstunden von ihrem Vater anhören zu müssen, welche Rolle sie in diesem Drama gespielt und welche

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