Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
war eine Polizistin in der Leitung, als meine Frau Patrizia entschuldigen wollte. Sie stellte einige Fragen, gab ihrerseits jedoch keine Auskunft.»

    Gegen elf Uhr waren zwei Polizisten bei Großmanns erschienen, einer von der Kripo Köln, der kurz umriss, was bei Retlings passiert war, und unbedingt mit Patrizia reden wollte. Sie hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und öffnete nicht, antwortete auch nicht. Die Tasche, die sie immer mit zur Arbeit nahm, lag auf dem Garderobenschrank im Hausflur. Der Kriminalbeamte kontrollierte den Inhalt.
    Und Patrizias Mutter musste sich anhören, dass ihre Tochter den Täter wahrscheinlich nicht nur gut kannte, dass sie ihm wohl auch ihre Schlüssel zu Retlings Haus überlassen hatte. Zu dem Zeitpunkt gab es zwar noch keine Aussage von Albert Retling. Aber es stand fest, dass der Täter nicht gewaltsam eingedrungen war und dass nur zwei nicht zum Haushalt gehörende Personen über die Haustürschlüssel verfügten: die Haushaltshilfe und Patrizia, in deren Tasche das Paar Sicherheitsschlüssel fehlte.
    Ihre Mutter rief Paul an, der sofort heimfuhr. Die Polizisten warteten im Wohnzimmer auf ihn und kamen gleich zur Sache. Es war viel schlimmer als alles, was Paul sich ausgemalt hatte.
    «Ich bin hinauf zu ihr», sagte Paul. Wie er ins Zimmer gekommen war, erwähnte er nicht. Doch so, wie er es schilderte, war nicht anzunehmen, dass Patrizia ihm die Tür geöffnet hatte.
    «Sie stand am Fenster und ließ die Straßenecke nicht aus den Augen, als erwarte sie, dass Schramm dort jeden Moment auftauchte. Vor ihrem Bett stand die Sporttasche, die sie früher mit zur Schule genommen hatte. Sie hatte gepackt, Herr Doktor, sich darauf vorbereitet, mit dem Kerl zu verschwinden. Im ersten Augenblick war ich nur dankbar, dass sie den Polizisten nicht geöffnet hatte.»
    Paul hatte die beiden Männer gebeten, im Wohnzimmer zu warten. Aber der Lärm, den das Öffnen der Tür verursacht hatte, hatte sie bereits in den Hausflur gelockt. Er hörte sie die Treppe hinaufkommen. Die Zeit reichte gerade noch, um die Sporttasche mit einem Tritt unter Patrizias Bett zu befördern. Danach erst setzte bei Paul das Denken wieder ein. Und dieses Begreifen.
    «Wir hatten uns doch alle Mühe gegeben, unsere Töchter zu ehrlichen und rechtschaffenen Menschen zu erziehen», sagte er zu Edmund. «Und dann bekam die Älteste ein Kind ohne Vater. Die Jüngste setzte noch eins drauf und brachte uns die Polizei ins Haus. Wie konnte sie sich nur mit so einem Vieh einlassen?»
    Ehe Edmund ihm darauf eine Antwort geben konnte, die ihm wahrscheinlich nicht gefallen hätte, sprach Paul bereits weiter.
    Er wusste nicht mehr, wie er ans Fenster gekommen war, um Patrizia von dort wegzureißen. Nur dass er auf sie eingeprügelt hatte, bis einer der Polizisten ihn wegriss, das war ihm in Erinnerung geblieben. Und wie sie da vor ihm auf dem Fußboden lag. Sie gab keinen Laut von sich, rührte sich nicht, hatte nicht einmal einen Arm vors Gesicht gehoben, um sich vor seinen Schlägen und Tritten zu schützen.
    Der Polizist sagte: «Das Mädchen ist gar nicht bei sich.»
    Da bemerkte auch Paul endlich, in welchem Zustand sich Patrizia befand. Zu Edmund sagte er: «Sie war wirklich nicht bei sich. Aber den Namen, den die Polizisten von ihr hören wollten, konnte ich ihnen nennen. Es kam ja nur einer in Frage, der mit ihren Schlüsseln bei Retlings eingedrungen sein konnte.»
    Bis dahin hatte Edmund mit wachsender Fassungslosigkeit und zunehmender Wut zugehört. Was bildete dieser Mensch sich ein? Karrte ihm jede Woche ein Bündel Haut und Knochen in die Praxis, erzählte eine Menge Müll und rückte erst mit der Wahrheit heraus, wenn man ihm die Pistole «Anstalt» auf die Brust setzte.
    Aber dass dieses naive Geschöpf mit seiner kindlichen Phantasie und den Träumen von versunkenen Wäldern gemeinsame Sache mit einem Schwerkriminellen gemacht haben sollte, war für Edmund nicht akzeptabel, nicht einmal unter Berücksichtigung der großen Liebe.
    «Patrizia kann vorher nichts von diesem Überfall gewusst haben», erklärte er. «Ihre Tagebucheintragungen …»
    Paul winkte ab und unterbrach ihn damit. «Vergessen Sie den Unsinn, Herr Doktor», riet er resignierend. «Was sie geschrieben hat, war für uns bestimmt. Sie wusste, dass meine Frau hin und wieder …» Es war wohl zu peinlich, das auszusprechen. Paul übersprang die unangenehme Stelle und fuhr fort: «Das meiste sind reine Phantasiegeschichten und Märchen. Was

Weitere Kostenlose Bücher