Hörig (German Edition)
bin nicht mehr der Alte, weißt du. Das war eine verflucht harte Zeit im Knast, so was setzt einem zu. Man wird misstrauisch.»
Dann ließ er sie los, löste ihre Hände aus seinem Nacken, richtete sich auf und lächelte erneut. Ein wenig schmerzlich wirkte es immer noch. Aber auch zuversichtlich und nicht mehr so kalt wie vorhin. «Weißt du was? Wir lassen es einfach drauf ankommen. Wir machen es so, wie ich es mir gedacht hatte. Jetzt sind wir ja erst mal ’ne Zeit hier zusammen. Da kannst du feststellen, ob ich dir wirklich noch so viel wert bin wie damals. Und wenn du mir nach ein paar Tagen sagst, du gehst doch lieber zu deinem Mann zurück, dann werd ich dich nicht festhalten, auch wenn’s verdammt weh tut. Und wenn du gehst, kann keiner behaupten, du wärst hier gewesen. Dann hat dich nämlich keiner gesehen. Für deinen Mann wird dir sicher ’ne Geschichte einfallen. Sag ihm einfach, du hättest ein bisschen Abstand gebraucht, nachdem ich bei dir aufgetaucht war. Die Retlings wissen nicht, dass ich dich abgeholt habe. Denen hab ich nur gesagt, dass ich dich kurz besuchen und sehen will, wie’s dir geht. Und dass ich danach einen treffe, der für ein paar Tage einen sicheren Unterschlupf braucht. Die müssen jetzt annehmen, dass hier unten einer sitzt, dem die Bullen auf den Fersen sind.»
Er strich mit einem Handrücken über ihre Wange, sehr zärtlich und sehr sanft. Sie zog seine Hand an ihre Lippen.
Hinsetzen und anfangen
, zuckte es ihr durch den Kopf,
’ne Menge Arbeit
. Ihr stockte der Atem, als sie zu begreifen glaubte. Es war ungeheuerlich. «Du hast die Sachen hier?»
Ihr schwindelte allein bei der Vorstellung. Da war ein Collier gewesen, eine herrliche Arbeit, Smaragde und Brillanten. Dazu hatten ein paar Ohrstecker und ein Armband gehört. Angefertigt für die Frau eines Industriellen. Dann das Kreuz mit den Rubinen an einer schweren Panzerkette. Und ein paar Ringe, ein Armreif in Tricolor, rautenförmig angeordnet und auf jeder Weißgoldraute ein Saphir, auf jeder Gelbgoldraute ein Smaragd und auf den Rotgoldrauten Brillanten.
Ihre Stimme klang immer noch atemlos, als sie feststellte: «Deshalb sind wir hier. Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum du mich ausgerechnet hierher bringst. Ich dachte, die Sachen wären längst verkauft.»
Er lächelte amüsiert über ihre Naivität. «Püppi, du denkst einfach zu viel. Ich hab dir doch gesagt, ich tu’s für uns. Ich hab dir auch gesagt, du darfst dir den schönsten Stein aussuchen und ihn behalten. Wenn dir danach ist, kannst du ihn dir irgendwo auf ’ne Fensterbank legen. Das gilt noch, Püppi. Das gilt sogar, wenn du mich anschließend sitzenlässt. Dann hast du mir immerhin geholfen, das ist ja auch was wert. Meinst du, ich hätt’ das gute Zeug damals einfach so verscheuert? Was hätt’ ich denn dafür gekriegt, nur ’n Trinkgeld! Nee, was ich mach, das mach ich richtig und gut. Ich halt doch nicht meinen Kopf hin, damit ’n Hehler sich dumm und dämlich verdient.»
Jetzt lachte er, richtig herzhaft und so überlegen. «Da hätt’ ich mich selbst in den Arsch getreten, wenn ich’s ’nem Fremden in den Hals geworfen hätte. Ich musste doch nur warten, bis du so weit warst, und das Zeug bis dahin gut aufheben. An einem sicheren Platz. Es gibt ’ne Menge sicherer Plätze, Püppi, an denen nie ein Mensch was Wertvolles sucht. Drei oder vier Jahre, hab ich mir gedacht. Dann ist Püppi fertig mit ihrer Lehre und hat auch schon ein bisschen Praxis. Damit sie wirklich was Vernünftiges zustande bringt, besser vielleicht fünf Jahre. Die sitz ich locker auf einer Backe ab. Aber dann waren es sieben. Und für irgendwas müssen die doch gut gewesen sein. Kannst du dir vorstellen, was ich in den letzten beiden Jahren vor mir gesehen hab? Hier hab ich uns gesehen, hier, uns beide, immer nur hier. Du sitzt an dem Tisch da, brichst vorsichtig die Steine raus und machst ihnen neue Fassungen. Ich schau dir dabei zu und helf dir, wenn ich kann. Und ich erzähl dir, wie wir nach Paris fahren oder nach Amsterdam. Wie wir den ganzen Kram dort verkaufen, wunderschöne, neue Stücke, die kein Mensch kennt. Und wenn wir kassiert haben, suchen wir uns ein friedliches Fleckchen Erde und genießen unser Leben. Kanada, weißt du noch? Oder Brasilien.»
Sie nickte mit verträumter Miene, um die sie sich nicht einmal besonders bemühen musste. Kanada, die Wälder. Sie war auf der Hochzeitsreise mit Eddi dort gewesen. Drei wundervolle Wochen.
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