Hörig (German Edition)
hast du die Tür abgeschlossen?»
«Nur zu deiner Sicherheit», sagte er. «Ich dachte, du fühlst dich wohler, wenn ich dich einschließe. Den Schlüssel hab ich hier.» Er klopfte gegen seine linke Hosentasche. «Dann kann keiner zu dir rein, der dir nicht genehm ist. Ich dachte, es wär dir lieber so.»
«Soll ich dich immer erst herunterrufen, wenn ich zur Toilette muss?», fragte sie. «Du hast behauptet, dass dein Freund mich in Ruhe lässt. Traust du ihm nicht? Oder traust du mir nicht?» Der letzte Satz kam ein wenig heftiger, gleichzeitig zuckte ihre Hand mit dem Brenner vor.
Er stand nicht nahe genug, als dass sie ihn mit der Flamme hätte erreichen und ernsthaft verletzen können. Trotzdem sagte er: «Eh, Vorsicht, pass auf, wo du das Ding hinhältst.» Und dann, ein wenig sanfter: «Was heißt das, ob ich dir nicht traue? Meinst du, ich hätt’ dich geholt, wenn ich dir nicht traue? Püppi, ich wollt dich bei mir haben. Ich hab all die Jahre an gar nichts anderes gedacht. Und ich hab nie gedacht, dass ich dir nicht mehr trauen könnte.»
Sie lachte auf, stellte den Tiegel zurück in die Esse und löschte den Brenner. «Das klingt nach sehr viel Sehnsucht», stellte sie fest. Und nun schwang Bitterkeit in ihrer Stimme mit. Er mochte ein Chamäleon sein, aber ein bisschen Theater spielen konnte sie auch. «Und was war das dann eben? Da hast du gesagt, ich wäre doch nur wegen Retlings mitgegangen. Für mich heißt das, du traust mir nicht. Bisher hatte ich auch nicht den Eindruck, dass dir noch besonders viel an mir liegt.»
Sie zeigte auf den rasch abkühlenden Inhalt des Tiegels. «Du brauchst mich nur dafür. Gib es ruhig zu. Weißt du, was mein Mann immer gesagt hat? Dass du mich damals bloß benutzt hast. Du wolltest die Schlüssel, mehr nicht. Vor mir hat es dich geekelt, sonst hättest du mit mir geschlafen oder mich wenigstens einmal richtig angefasst, so wie du es der Polizei und dem Gericht weisgemacht hast. Und jetzt willst du auch nur, dass ich die Sachen für dich umarbeite. Danach schickst du mich in die Wüste. Oder zu meinem Mann zurück. Das hast du ja bereits angekündigt.»
Er schaute sie ungläubig, fast betroffen an und wurde wütend. «Was hat der Scheißkerl dir sonst noch für einen Blödsinn erzählt? Und du hast das geglaubt?»
«Anfangs nicht», erwiderte sie mit gesenktem Kopf. Ansehen konnte sie ihn jetzt nicht. Sie legte den Brenner aus der Hand, strich verstohlen über den Rand der Esse und verschmierte mit beiden Händen ein bisschen Ruß mit den Spuren der wenigen Tränen auf den Wangen. Zusätzlich rieb sie mit den Fingerspitzen etwas Ruß in die Augen, die sofort und diesmal heftig zu tränen begannen. Dann sprach sie den Satz mit einem Zittern in der Stimme zu Ende. «Aber ich fange allmählich an, es zu glauben.»
Als sie den Kopf hob, war er mit einem Schritt bei ihr und umschlang sie mit beiden Armen. «Nicht weinen, Püppi», bat er, drückte sich ihr streifiges Gesicht gegen die Schulter und strich mit einer Hand über ihr Haar. Seine Stimme klang sanft und beschwichtigend. «Red keinen Unsinn. Und hör auf zu weinen. Ich kann das nicht sehen. Ist ein bisschen viel Stress für dich im Moment, was? Du weißt gar nicht, woran du mit mir bist.»
Unter seiner Hand schüttelte sie den Kopf. Ihre Stimme kippte unter krampfartigen Schluchzern. «Das ist kein Stress, das ist Enttäuschung. Du hast ja bisher nicht mal versucht, mich zu küssen.»
Jetzt weinte sie richtig, musste sich nicht mehr um Tränen bemühen, weil sie nun das Gefühl hatte, mit dem Feuer zu spielen und Satan persönlich herauszufordern. So betrachtet war es ein Höllenfeuer, und das taute die eingefrorene Panik im Innern. Wie ein Sturzbach floss ihr die Angst zu den vom Ruß gepeinigten Augen heraus.
Sie schlang beide Arme um seinen Hals, legte ihren Kopf in den Nacken, zog seinen Kopf zu sich hinunter und schaute ihm in die Augen. Ihre Mundwinkel zitterten. Tränen sammelten sich darin und verteilten sich über ihre Lippen. Das unkontrollierte Schluchzen verebbte allmählich. Sie wurde etwas ruhiger unter seinem Blick, der so gar nicht teuflisch war, sondern weich, zärtlich und besorgt wie früher.
«Verstehst du denn nicht, Heiko?», fragte sie. «Ich habe alles stehen und liegen lassen und bin mit dir gegangen. Warum wohl?»
Er schwieg, sie flüsterte weiter: «Ich bin nicht mehr siebzehn. Du kannst mir nicht mehr erzählen, was wir tun werden, und mich dann einschließen. Zeig mir
Weitere Kostenlose Bücher