Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
musste ich ja irgendwie ins Haus kommen, vor allem hier unten rein, ohne dass es in der Nachbarschaft auffällt.»
    Als er weitersprach, suggerierte sein Blick Zuversicht, Sicherheit und Vertrauen: «Natürlich sind sie hier. Wenn du mir was gehustet hättest, hätte ich mit dem Alten vorliebnehmen müssen. Aber du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen. Die kriegen nicht mit, dass du hier bist. Du bleibst schön hier unten. Sie sind oben, und Peter sorgt dafür, dass sie nicht mal in die Nähe der Treppe kommen. Ich bring dir heut Abend ’ne Liege runter, hab ich extra besorgt. Das Klo ist hier gleich nebenan, weißt du ja bestimmt noch. Da ist auch ein Becken, wo du dich waschen kannst. Ich hab mir das alles reiflich überlegt, hatte ja Zeit genug. Und so ist es doch gut, oder meinst du nicht?»
    Er schaute sie fragend und auffordernd zugleich an.
    Sie nickte. «Natürlich», stimmte sie zu. «So ist es in Ordnung.»
    Er nickte ebenfalls, grinste immer noch, ein bisschen schelmisch jetzt. «Es ist nicht bloß in Ordnung. Es ist optimal. Du darfst nur nicht nach oben kommen, da könnten sie dich hören. Wir haben’s ausprobiert. Du solltest auch hier unten nicht herumbrüllen, aber dafür hast du ja keinen Grund. Ich hab dir damals gesagt, dass ich kein unnötiges Risiko eingehe. Für dich bestimmt nicht.»
    Sicher. Mit genau den Worten hatte er das damals gesagt, nachdem er sie tagelang im Bus und in der Straßenbahn bearbeitet hatte. Keine erotischen Beschwörungsformeln mehr, davon hatte sie ja inzwischen auch so viele gehört, dass sie sein Programm jederzeit ohne Stichworte abspulen konnte. Stattdessen schmiedete er Fluchtpläne.
Wir beide, Püppi, und keine Menschenseele in unserer Nähe, die uns Vorschriften machen oder verbieten kann, dass wir zusammen sind
.
    Und eines Abends hatte er gesagt: «Du willst es doch auch, Püppi, das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Und ich weiß, wie wir es schaffen können. Wenn du mir ein bisschen hilfst, nur ein kleines bisschen, ist nicht das geringste Risiko dabei. Sieh mal, dein Chef sitzt auf einem Haufen Geld in Form von Steinen, die niemand wirklich zum Leben braucht. Leute mit mehr Geld, als noch anständig ist, hängen sich die um den Hals oder legen sie in einen Tresor. Da liegt ein Vermögen nutzlos herum, mit dem wir beide uns eine Zukunft an einem sicheren Fleckchen Erde aufbauen könnten.»
    Da war so viel Sehnsucht in seiner Stimme gewesen. «Wenn du mir die Schlüssel gibst, Püppi, hol ich den Kram für uns beide da raus. Du kannst es dir ja mal in Ruhe überlegen. Was deinen Chef angeht, um den musst du dir keine Gedanken machen. Der ist versichert und bekommt alles ersetzt. Von dem, was die Versicherung ihm zahlt, kann er sich anschließend auch ein schönes Leben machen, vielleicht tut er das sogar. Arbeiten muss er danach jedenfalls nicht mehr, das kannst du mir glauben. Und wir beide, Püppi, wir suchen uns einen Platz, der uns gefällt. Und dann wird alles so, wie wir es uns vorstellen.»
    Wir beide, Püppi!
Zuerst hatte sie sich das nicht vorstellen können. Weggehen von daheim. Engstirnige Spießer nannte er ihre Eltern. Und damit hatte er ja recht. Damals hatte sie geglaubt, er hätte auch mit allem anderen recht. Er sei klug und stark und weitsichtig. Er wisse genau, was andere in bestimmten Situationen tun würden, und er plane es ein. Deshalb würden ihm keine Fehler unterlaufen. Deshalb sei alles, was er mache, gut und richtig. Und sicher.

    Nicht nach oben kommen
, hallte es hinter ihrer Stirn nach wie ein Echo.
Sonst
könnten sie dich hören
. Glaubte er denn, Albert und Alwine Retling hätten ihn nicht gehört, als er sie dem Fettwanst vorstellte? Geflüstert hatte er ihren Namen nicht.
    Der schelmische Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand und machte einer ernsten und leicht besorgten Miene Platz. Der Druck seiner Hände auf ihren Schultern verstärkte sich, und seine Stimme bekam einen schmerzlichen Beiklang.
    «Weißt du, Püppi», sagte er, «wir haben uns all die Jahre nicht gesehen. Wir sind beide nicht mehr so wie früher.»
    Weil sie mit ihren Gedanken ganz woanders war, klang es für sie im ersten Moment, als habe er das Thema gewechselt. Sie brauchte einige Sekunden, ehe sie seinen weiteren Ausführungen folgen konnte.
    «Wir müssen uns erst wieder aneinander gewöhnen», sagte er. «Und vielleicht klappt’s ja nicht so, wie wir uns das denken. Ich meine, ich fänd’s toll, wenn es klappt. Aber wenn nicht, vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher