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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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die Küche. Als sie nach ein paar Sekunden zurückkam, hielt sie den Blumenuntersetzer in der Hand und betrachtete die beiden Kippen darauf mit unbewegter Miene.
    «Liebestöter», murmelte sie, während sie sich wieder hinsetzte. Und dann sprach sie aus, was ihm bereits seit einer Weile zu schaffen machte: «Soll ich dir was sagen, Eddi? Du warst der Liebestöter. Du hast ihr eingehämmert, Schramm sei ein Schwein, von dem sie nichts anderes als Schweinereien erwarten konnte. Und das zu einem Zeitpunkt, als sie voll und ganz von dir abhängig war. Sie hatte doch gar keine Chance, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Aber genau die hätte sie heute Morgen gebraucht, eine eigene Meinung.»
    «Sie ist nicht freiwillig …», setzte Edmund noch einmal zu einem lahmen Protest an. Dorothea winkte ab und unterbrach ihn damit.
    «Woher willst du das wissen, Eddi? Du warst nicht dabei. Das ist dein Problem. Du warst nie dabei, damals nicht, heute nicht, aber du bist schnell mit einem Urteil bei der Hand. Du weißt doch gar nicht, was hier passiert ist. Du weißt nicht, um welche Zeit nun genau Schramm gekommen ist, vielleicht schon kurz nach neun. Unter Umständen haben sie hier stundenlang gesessen und geredet. Über die alten Zeiten oder die Zukunft oder beides. Vielleicht haben sie mehrere Tassen Kaffee getrunken, vielleicht hat Patty ihm erst nach der dritten Tasse erlaubt zu rauchen und ihm einen Cognac dazu kredenzt. Glaubst du wirklich, sie hätte ihm etwas zu trinken angeboten, wenn er sie in irgendeiner Form bedroht hätte?»
    Edmund kam nicht dazu, ihr zu antworten. Dorothea redete sich mehr und mehr in Form. Sie saß aufrecht im Sessel, ihre Augen blitzten ihn förmlich an. «Wenn Schramm sie gezwungen hätte, Eddi, hätte er sich damit nicht stundenlang Zeit gelassen. Dann wären sie beide schnellstmöglich verschwunden, und du hättest kein Geschirr auf dem Tisch entdeckt. Ich weiß, wie du über ihn denkst. Aber das ist nur deine persönliche Meinung, Eddi. Du hast ihn nie kennengelernt, und trotzdem hast du ihn in Grund und Boden verdammt, einen Teufel aus ihm gemacht. Er war nie ein Teufel, Eddi. Auf seine Art war er ein armes Schwein und ein Spinner, der gerne Supermann gewesen wäre.»
    Dorothea erinnerte sich nur zu gut an den Nachmittag, an dem Patrizia mit der umwerfenden Erkenntnis aus einer Therapiestunde heimgekommen war, dass ein Mann, der ein Mädchen liebte, auch irgendwann mit diesem Mädchen schlafen wollte.
    «Ich will ihn bestimmt nicht als ein Unschuldslamm hinstellen», sagte Dorothea. «Was er mit Albert Retling gemacht hat, war eine Sauerei und absolut überflüssig. Aber in einem Punkt hatte sein Verteidiger recht: Patty war für Schramm das, was er selbst nicht sein konnte, etwas unermesslich Kostbares. Und etwas Kostbares schützt man, das hält man rein, man legt es nicht bei der erstbesten Gelegenheit flach.»
    «Und weshalb hat er sie dann bei Albert Retling erwähnt?», fragte Edmund. «Er hätte doch nur die Schnauze halten müssen, um sie …»
    Dorothea winkte genervt ab und unterbrach ihn damit erneut. Sie sah es in etwa so wie Kleiber. «Vielleicht hat er sich nur verplappert. Vielleicht dachte er, Retling müsste bloß eins und eins zusammenzählen, um von alleine darauf zu kommen. Vielleicht musste er auch einfach damit prahlen, dass dieses Juwel zu ihm gehörte. Was weiß ich. Schramm war nicht die Leuchte, als die du ihn hingestellt hast. Du darfst eins nicht übersehen, Eddi, deine gesamten Erkenntnisse über ihn stammen aus zwei nicht gerade zuverlässigen Quellen, nämlich von Patty und von Papa. Sie hat ihn vergöttert, er hat ihn verteufelt, einen Durchschnittsganoven haben beide nicht in ihm gesehen. Aber genau das war er damals, er lag sogar noch etwas unter dem Durchschnitt.»
    Im Gegensatz zu Edmund hatte Dorothea Schramm damals persönlich gekannt, wenn auch nur flüchtig aus der Disco, in der er verkehrte und sie ebenfalls. Django hatten sie ihn dort genannt, weil er immer ganz in Schwarz daherkam. Es hatte halt jeder seinen Tick.
    Gut, er war bestimmt keiner gewesen, den man der kleinen Schwester für die ersten Erfahrungen wünschte. Ein kleiner Dealer, der aber keine Anstalten machte, Patty als Kundin zu ködern. Dorothea hatte sich ein paarmal mit ihm unterhalten, wenn er samstags zu später Stunde in der Disco aufgetaucht war, um noch ein bisschen Stoff loszuwerden. Und zuvor hatte er geraume Zeit von einer Straßenecke aus den Rollladen betrachtet, hinter dem

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