Hörig (German Edition)
Unterwäsche.
Du weißt doch, Ed, es funktioniert nur mit Illusionen, du hast mir keine gelassen. Du warst mein Liebestöter
. Die im Schrank zurückgebliebene Daunenjacke besagte:
Bei Heiko brauche ich die nicht, Ed. Er schaut mich an, dann ist mir warm genug
.
Es war grausam. Und obwohl er nichts davon laut aussprach, schien Dorothea genau zu wissen, was in ihm vorging.
«Jetzt verlier nicht die Nerven», wies sie ihn zurecht. «Wenn Patty wirklich mit ihm wegwollte, hätte sie mehr eingepackt und ihre Cremes mitgenommen. Die Töpfchen stehen noch da, ebenso Reinigungsmilch und Gesichtswasser. Nur ihre Zahnbürste fehlt. Also, gehen wir es noch einmal in Ruhe durch.»
Interpretation eins, Interpretation zwei. Und Interpretation drei war ganz simpel. Kanada! In den weiten Wäldern reichte eine Zahnbürste. Und die nachtblauen Pumps hatte sie weggeworfen, vielleicht kurz nach der Silvesternacht. Es war ihm bisher nur nicht aufgefallen, weil er nie danach gesucht hatte. Ihre Daunenjacke konnte sie schlicht und ergreifend vergessen haben in der Aufregung und der Freude des Wiedersehens. Vielleicht wollte sie sich auch an Ort und Stelle neue Sachen kaufen. Vermutlich konnte Schramm ihr jetzt mehr bieten als Cremedöschen und eine warme Jacke.
Im ersten halben Jahr ihrer Therapie, als sie noch gegen seine Ansichten rebelliert hatte, hatte sie mehrfach davon gesprochen, was Schramm ihr alles bieten wollte und wie er sie für die Zeit seiner Haft zu entschädigen beabsichtigte. Eines Tages. Wenn er wieder frei war!
Später hatte sie ihm auch gestanden, wie Schramm sie auf den Überfall vorbereitet und dass er ihr exakte Anweisungen für den Tag danach gegeben hatte. «Sag deiner Mutter einfach, du hättest Bauchschmerzen. Du kannst nicht zur Arbeit fahren, als wäre alles wie immer, Püppi. Du hast ja keine Schlüssel. Die Retlings können dir nicht öffnen. Mal abgesehen davon, dass die dumm aus der Wäsche gucken würden, wenn du klingelst, und dass sie garantiert wissen wollen, wo du deine Schlüssel gelassen hast, ich muss die beiden fesseln. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich bin ganz vorsichtig, ich tu ihnen nicht weh.»
Aber Schramm hatte ihr nicht aufgetragen, ein paar Sachen in ihre Sporttasche zu packen und auf ihn zu warten. Im Gegenteil, er hatte ihr erklärt, dass er nicht kommen könnte, um sie abzuholen, weil man ihn verhaften würde, sehr bald sogar. Dass er zwar fliehen könne, auch zusammen mit ihr. Aber …
«Wir hätten keine ruhige Minute, Püppi», hatte Schramm gesagt. «Egal, wohin wir gehen, Polizei gibt’s überall. Interpol jagt uns rund um die Welt. Und wenn’s die Polizei nicht tut, tut’s die Versicherung. Haie sind das. Prämien kassieren, damit sind die schnell bei der Hand. Aber mal was rausrücken, wenn ein Schaden entstanden ist, da drücken die sich. Weißt du, Püppi, wenn’s nur um mich ginge, würde ich das riskieren. Ich würde dir die Schlüssel einfach in den Briefkasten werfen und abhauen. Da könnten die sich lange die Köpfe zerbrechen, wie ich bei Retlings reingekommen bin. Kein Mensch käme drauf, dass du was damit zu tun hast. Aber ich will dich hier nicht allein lassen. Und wenn ich dich mitnehme, hättest du immer Angst, dass man uns doch noch schnappt, das will ich dir auch nicht antun. Sollen sie mich einsperren, das macht mir nichts aus. Das stehen wir durch, wir beide. Nicht wahr? Das schaffen wir. Wir wissen ja, wofür. Und dann bin ich in deiner Nähe. Die Polizei wird dir natürlich eine Menge Fragen stellen. Aber ich sorge dafür, dass sie dir nicht zu hart zusetzen. Halt dich an das, was ich dir gesagt habe, dann kann nichts schiefgehen. Du kannst dich auf mich verlassen.»
Für Edmund war das der Beweis gewesen, dass Schramm seine Verhaftung geplant hatte. Aber nur um in ihrer Nähe zu bleiben? Dass einer wie Schramm aus lauter Liebe eine langjährige Haftstrafe in Kauf nahm, hatte Edmund immer für ausgeschlossen gehalten. Obwohl Rasputin vermutlich nicht mit sieben Jahren gerechnet hatte. Es wären wahrscheinlich auch ein paar Jahre weniger gewesen, hätte er sich an das gehalten, was er Patrizia zugesichert hatte:
«Ich bin ganz vorsichtig, ich tu ihnen nicht weh.»
Teil 3
Es schien, dass Heiko die Küchentür wieder geöffnet hatte. Patrizia hörte ihn jetzt deutlicher mit jemandem reden, verstand unten in der Werkstatt aber immer noch nicht, was er sagte. Weil er nur einsilbige Antworten bekam, konnte sie auch nicht zweifelsfrei
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