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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Patrizia eine Liebesnacht erlebte, die nur in ihren Gedanken stattfand.
    Dorothea sah ihn noch vor sich. Das verlegene Lächeln, als sie ihn auf Patrizia ansprach, die vor Angst fast verrückt wurde, ihr Herzkönig könne eine andere kennenlernen, die nicht von einem hartherzigen Vater alles verboten bekam.
    Auf seine Art eigentlich ein netter Kerl, umgänglich und verliebt bis über beide Ohren. Sehr höflich war er auch gewesen. Wer sprach einen denn in einer Disco mit «Sie» an? Nur Django. «Sagen Sie Patrizia, sie muss sich keine Sorgen machen. Die Weiber, die hier herumlaufen, sind mir alle zu blöd. Die haben doch nichts anderes im Kopf als ihre Fummel und wie sie einen am besten heißmachen können.»
    Ein bisschen verklemmt vielleicht. «Die muss man nur von der Seite ansehen, dann kann man sie schon flachlegen. Das ist nicht mein Ding. Ich mag das überhaupt nicht, wenn ein Mädchen gleich zu allem bereit ist. Patrizia ist anders, das finde ich gut. Und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Bedrängen würde ich sie nie. In dem Punkt müsste Ihr Vater sich wirklich keine Sorgen machen. Ich hab’s nicht eilig damit. Ich kann warten.»
    Und Dorothea hatte es ihm besonders hoch angerechnet, dass er sie niemals bat, bei Paul für ihn zu vermitteln.
    «Er hat Patty wirklich sehr geliebt, Eddi», erklärte Dorothea nachdrücklich. «Nicht weniger als sie ihn. Was sie betrifft, hätten sich die Gefühle wahrscheinlich mit den Jahren verloren. Sie war doch erst siebzehn. Es wäre nicht nötig gewesen, sie auf die Art kaputtzumachen, wie du es getan hast. Das bisschen Ich, das noch von ihr übrig war, auch noch zu zerreißen und aus den Resten die perfekte Frau zu formen. Weißt du, woran sie mich damals oft erinnert hat, wenn sie mir von ihren Therapiestunden und den umwerfenden neuen Erkenntnissen erzählte, zu denen du ihr verholfen hattest?»
    Seine Antwort wartete Dorothea natürlich nicht ab, er hätte auch keine gehabt. «Die Frauen von Stepford», sagte sie. «Ich meine den Film von fünfundsiebzig, nicht die Neuverfilmung, die ist Krampf, aber der erste Film war klasse. Ich weiß nicht, ob du ihn mal gesehen hast.»
    Als Edmund den Kopf schüttelte, erzählte sie: «Es geht um Männer, die ihre Frauen durch perfekt gebaute Roboter ersetzen, die ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Am Ende fragt die letzte Überlebende ihren Mann: ‹Warum tut ihr das?› Und er antwortet: ‹Weil wir es können.› Der Satz hätte von dir sein können, Eddi. Du konntest es, und du hast es getan.»
    Er konnte ihr kaum noch zuhören. Im Großen und Ganzen hatte sie ja recht, was das Zerreißen und Neuzusammenfügen betraf, hatte sie ganz bestimmt recht. Aber er hatte doch keine andere Wahl gehabt.

    Nachdem Patrizia damals erst einmal angefangen hatte, mit ihm zu reden, hatte Edmund bald einsehen müssen, dass Schramms Macht über sie ungebrochen, vielleicht sogar noch stärker geworden war. Dank seiner Hilfe! Er zeichnete die Stunden mit ihr auf. Und wenn er abends das Tonband abhörte und seine Notizen machte, fasste er es kaum. Sie konnte unmöglich all das glauben, was sie von sich gab. Es war unvorstellbar, aber es war so. Und es war nicht einfach nur Glaube, es war ihre feste Überzeugung.
    Dass Heiko nachts wieder bei ihr war. Sie fühlte seine Zärtlichkeit, weil er sie mit seinen Gedanken genauso berühren konnte, wie andere das nur mit den Händen schafften. Heiko konnte seinen Körper verlassen – und diese Zelle, in der man ihn gefangen hielt. Er kam als Geist zu ihr, jede Nacht. Tagsüber schien ihm das nicht möglich, da wartete sie noch vergebens. Wahrscheinlich war Heiko tagsüber abgelenkt, musste arbeiten und brachte die Konzentration nicht auf, die es für Astralreisen brauchte.
    Ihre Naivität und Wundergläubigkeit erschreckten und faszinierten Edmund gleichermaßen. Ein großer Teil von ihr lebte nach wie vor in einer Phantasiewelt, der kleine Rest hatte keine eigene Meinung. Wenn doch, konnte man sie innerhalb weniger Minuten vom Gegenteil überzeugen. Auf die Weise hatte Schramm es geschafft, ihr Weltbild von Gut und Böse umzudrehen und seinen Plänen anzupassen.
    Aber Schramm geriet für Edmund mehr und mehr in den Hintergrund. Der stellte für die nächsten Jahre keine Gefahr dar, für niemanden. Edmund hatte genug über ihn gehört und gelesen, er bezog seine Erkenntnisse nicht nur von Patrizia und Paul, auch aus den Gerichtsunterlagen. Und sein Urteil stand fest. Ein mieser Hund.

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