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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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feststellen, wer bei ihm war, der Fettwanst oder Alwine Retling. Es war ein Risiko, sich die Treppe hinaufzuwagen, allerdings nur ein kleines, das sie ohne weiteres eingehen könne, fand sie. Die Wahrscheinlichkeit, dass Alwine Retling schon vorher in der Küche gewesen war, hielt sie für verschwindend gering. Also unterhielt Heiko sich wohl mit dem Dicken.
    Hinaufschleichen, um die Mauer herumspähen. Wenn Heiko den Koffer schon aus dem Auto geholt hatte, stand der mit etwas Glück neben der Mauer und wäre schnell zu erreichen. Sie müsste nur die Pistole herausnehmen, zur Küchentür gehen …
    Und dann? Sofort auf einen der beiden Kerle anlegen, abdrücken und darauf vertrauen, dass die Pistole geladen war. Oder darauf hoffen, dass sie beide in Schach halten konnte? Nein! Das traute sie sich nicht zu. Eds Stimme sprach auch dagegen. Sofort auf Heiko zielen und abdrücken, das dürfte am besten sein. Den Dicken hielt sie für zu lahm, einen weiteren Schuss auf ihn zu verhindern. Anschließend könnte sie behaupten, sie sei angegriffen worden. Und wenn Ed doch die Patronen aus dem Magazin gedrückt hatte? Warum hätte er das tun sollen? Darüber wollte sie gar nicht nachdenken.
    Außer den undeutlichen Stimmen waren Geräusche zu hören wie von Metall auf Glas. Wohl ein Topf, der auf das Ceranfeld gestellt wurde. Bis zur ersten Treppenstufe waren es nur fünf oder sechs große Schritte. Ihre Schuhe waren völlig lautlos. Weiche Mokassins. Sie stieg die erste Stufe hinauf, dann die zweite. Jetzt hörte sie, dass es zwei Männerstimmen waren, die sich in der Küche unterhielten, verstand aber immer noch nicht, was gesagt wurde.
    Natürlich dachte Heiko nicht im Traum daran, Alwine Retling zu bitten, eine Suppe zu kochen.
«Die bleiben oben»,
hörte sie ihn im Geist noch einmal sagen.
    Im Schlafzimmer eingesperrt! Vielleicht war es ganz gut so. Wenn sie es nicht schaffte, den Koffer an sich zu bringen. Wenn die Polizei das Haus stürmen musste, konnte es nur von Vorteil sein. Dann waren die Retlings im ersten Stock hinter einer verschlossenen Tür, sie selbst war im Keller. Einer von den Kerlen müsste die Treppe hinauf-, der andere die Treppe hinunterhetzen, um sich eine Geisel zu holen. Wenn die Polizei schnell genug war – und das war sie ganz bestimmt –, erreichte weder Heiko noch der Dicke sein Ziel.
    Die dritte Stufe, die vierte, die fünfte, sechste, siebte, achte. Jetzt war sie schon zu weit oben, um wieder rechtzeitig zurück in den Gang zu gelangen und die Tür zum Waschraum zu öffnen, falls einer von beiden in die Diele kam. Sie hielt den Atem an, dachte an Ed und dass er stolz auf sie wäre.
    Die hüfthohe, weiß getünchte Mauer zwang sie weiter hinauf. Sie schwitzte Blut und Wasser bei jeder Stufe, schaffte es nur, weil sie unentwegt an Ed dachte. Und es war alles umsonst.
    Als sie endlich einen Blick um die Mauer herum werfen konnte, war da nichts, was die ganze Aufregung und das Risiko gelohnt hätte. Ihre Handtasche lag auch nicht mehr auf der Mauer, aber die war ihr nicht so wichtig wie der Koffer. Dass sie nun gut verstand, was in der Küche vorging, war auch keine Entschädigung.
    Der Dicke sagte gerade: «Hier sind keine Eier. Es wird ja wohl auch ohne gehen.»
    Die Haustür war zum Greifen nahe. Sie hätte in zwei, drei Sätzen hinstürmen, die Tür aufreißen, quer über die Straße oder zu einem der seitlichen Nachbarn hetzen können. Um die Zeit waren bestimmt alle zu Hause. Und wenn die Tür abgeschlossen war? Das war sie garantiert. Die miesen Kerle ließen sie doch nicht stundenlang unbeaufsichtigt im Keller hantieren bei einer unverschlossenen Haustür.
    In der Küche antwortete Heiko: «Wenn sie Eier in der Suppe will, kriegt sie welche. Weil ich will, dass sie welche kriegt, ist das klar? Geh mal runter in den Keller. Da ist ’n Vorratsraum, vielleicht sind da welche.»
    Als die Küchentür geöffnet wurde, war sie bereits auf halbem Weg nach unten. Sie sprang die letzten Stufen hinunter, kam federnd auf, was trotz der Mokassins nicht völlig geräuschlos vonstattenging, und griff nach der Klinke zum Waschraum. Die Tür völlig hinter sich zu schließen, schaffte sie nicht mehr, da war der Dicke bereits um das Mauerstück gebogen, hatte sie gesehen und grinste über sein ganzes, widerlich feistes Gesicht.
    Sie schloss die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel um, lehnte sich an die Wand und wartete darauf, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigte. Dabei hörte sie den Dicken

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