Zigarette. Auf dem Rückweg sah ich dich am Fenster stehen, du hattest den ganzen Auftritt mitbekommen und im selben Moment wie ich begriffen, daß diese Frau nicht Nadine war. Als ich erleichtert lachte über die Situation, hieltest du mich für irre.
Das zweite Ereignis war das am Telefon. Du wurdest oft auf dem Handy angerufen. Anfangs bist du immer drangegangen, doch ab einem bestimmten Zeitpunkt unserer Geschichte hast du immer erst nachgesehen, wer es war, und die Anrufe gefiltert. Wenn du nicht wußtest, ob du drangehen solltest oder nicht, hast du dein Telefon auf den Schreibtisch gelegt, es wieder in die Hand genommen und wieder hingelegt. Ich war mir so sicher, daß Nadine es irgendwie schaffen würde, noch einmal in dein Leben zu treten, und daß sie dich anrufen würde. Also habe ich fast einen Monat lang täglich alle unbekannten Nummern aus deinem Display abgeschrieben: morgens, wenn du geduscht hast, und nachmittags, wenn du im Café warst, um zu schreiben. Dann habe ich von meinem Telefon aus all diese Nummern angerufen und nach Nadine gefragt.
Manchmal waren Männer am Telefon, meistens Frauen, wahrscheinlich Kolleginnen, mit denen du dich nachmittags trafst. Ich hätte sie gern nach ihrem Namen gefragt, tat es aber nicht, weil ich fürchtete, sie könnten mich an meiner Stimme erkennen, wenn ich mehr als nötig sagte, also begnügte ich mich mit einem »falsch verbunden«. Gelegentlich traf ich auf einen Anrufbeant-worter, einmal sagte eine junge Stimme: »Guten Tag, Sie sind bei den beiden Isabelles.« Ich habe nie herausbe-kommen, wer die beiden Isabelles waren.
Es war an einem Nachmittag. Ich fragte nach Nadine, und eine Stimme sagte: »Ja, am Apparat.« Ich habe auf der Stelle aufgelegt. Mehrere Minuten stand ich da, mit klopfendem Herzen, die Hand am Hörer, dann rief ich noch einmal an. Ich konnte nicht glauben, daß sie es war, obwohl ich mir soviel Mühe gegeben hatte, sie zu finden.
Dabei ging es mir nicht um Klarheit, nicht um die Wahrheit eurer Liebe, die mich aus deinem Leben verdrängen würde, im Grunde genommen ging es mir nur um mich selbst, ich wollte mich fangen, ich wollte mir die Ängste bestätigen, die ich brauchte, um mich von dir loszureißen und wieder zu dir zurückzukehren, ich legte mir einen Hinterhalt, um Cowboy zu spielen, bevor ich abends an dich geschmiegt einschlief. Ich fragte noch einmal nach Nadine Lavallee, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich ihr eigentlich sagen wollte, und die Stimme sagte: »Nein, Duhamel.« Ich habe mich entschuldigt und aufgelegt. Ich weiß bis heute nicht, wer das ist.
Das letzte Ereignis folgte unmittelbar danach, an einem eisigen Dezembervormittag. Ich stand neben deinem Bett und zog mich an, während du wie jeden Morgen deine E-Mails per Outlook abriefst, noch vor dem Frühstück, mit einem Kaffee in der Hand. Es waren immer zwischen zwanzig und dreißig Mails und nur zwei, drei von Freunden.
Wir schauten beide auf den Bildschirm, und sofort sprang mir Nadines Adresse in die Augen, die kannte ich zwar nicht, aber ein Irrtum war ausgeschlossen, weil ihr ganzer Name darin vorkam:
[email protected]. Sie stand ungefähr an zehnter Stelle deiner Liste. Mir schien, daß du die Mails bis dahin nur schnell und oberflächlich durchgingst, sie auf- und gleich wieder zugemacht hast, ohne sie richtig zu lesen, natürlich hattest du auch Nadines Namen gesehen und warst vor lauter Aufregung gar nicht mehr in der Lage, dich mit den vorhergehenden Nachrichten zu beschäftigen, Nadine war das wichtigste, neben ihr wurde alles andere unsichtbar. Seit einem Jahr herrschte Funkstille zwischen euch, die Mail war das erste Lebenszeichen, das du von Nadine erhieltst, das war das Ende eures Kalten Krieges, das Eis war gebrochen, du würdest ihr antworten, und das nächste Mal, wenn ihr euch im Bily Kun oder im SAT begegnen würdet, könntet ihr euch wieder grüßen und euch sogar miteinander unterhalten.
Als ich ihren Namen auf deinem Bildschirm entdeckte, erstarrte ich mit halb über die Schenkel gezogener Hose.
Plötzlich fühlte ich mich klein und dick, wie ich so halb angezogen dastand an diesem kalten Dezembermorgen, mit hängenden Armen, die plötzliche Wiederkehr Nadines, mit der ich doch ständig gerechnet hatte, ließ mich jeden Anstand vergessen. Eine Windböe rüttelte an deinem Fenster, die Außenwelt brach in unser Leben ein, um uns zu trennen. Ich ging ein paar Schritte auf deinen Bildschirm zu und stand dann davor wie vor