Hoffnung am Horizont (German Edition)
er in diesem Augenblick den Gesichtsausdruck seines Bruders sah und sich bewusst wurde, was er damit andeutete, wappnete sich Matthew. Nicht gegen den nächsten Schlag. Nein, seine Fäuste setzte Johnny nur dann ein, wenn er wütend war und ihm keine andere schnelle Antwort einfiel. Dieses spezielle Thema hatten sie schon oft genug behandelt, und Matthew war es müde. Aber Johnny ließ sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen. Matthew hatte ihm soeben selbst den Ball zugespielt, und er würde die Chance, seinen kleinen Bruder aufzuziehen, weidlich auskosten.
„Du weißt, was ich meine.“
„Nein, ich bin nicht sicher, ob ich das weiß. Du hast gesagt, dass du Frauen kennst. Stimmt das?“
Matthews Gesicht begann zu glühen. „So habe ich es nicht gemeint. Was ich sagen wollte, ist, dass ich etwas über diese Frau weiß. Ich weiß, dass sie jahrelang in einem Bordell in der Stadt gearbeitet hat. Ich weiß Dinge über sie, die dich veranlassen werden, deine Meinung zu ändern. Ich habe Geschichten von anderen Rancharbeitern gehört, Johnny. Was sie mit ihnen gemacht hat.“
Johnny stand auf und trat einen Schritt auf ihn zu. „Wie alt bist du jetzt, Matthew?“
Matthew wich nicht zurück. Sein Bruder war nie schlagfertig gewesen, aber er konnte gemein werden. Als er Johnnys ernsten, aufmerksamen Gesichtsausdruck sah, wurde Matthew bewusst, dass er dieses Thema noch weiter in die Länge ziehen würde, indem er sich dumm stellte.
„Du bist jetzt wie alt? Zweiunddreißig?“
Matthews Fäuste verkrampften sich um seine Hutkrempe, während der nicht ausgesprochene Spott in dieser Frage die Stille zum Vibrieren brachte. Das Blut pochte in Matthews Adern und ihm wurde heiß. Es gab nichts, dessen er sich schämen musste. Johnny war derjenige, der sich schämen sollte. Er und diese Hure im Zimmer nebenan. Warum glühte dann sein Gesicht?
„Zweiunddreißig … und du warst nie mit einer Frau zusammen.“ Langsam schüttelte Johnny den Kopf. Seine Miene verriet, dass er das nicht verstehen konnte.
Es war keine Frage. Es war eine Feststellung, und jeder Muskel in Matthew spannte sich an. Einmal, nur ein einziges Mal würde er seinem Bruder gern einen so kräftigen Hieb verpassen, dass er ihn zu Boden streckte.
Johnny zog seine kräftigen Schultern hoch. „Das ist okay, Matthew. Es ist gut. Ehrlich. Unsere Mama wäre wirklich stolz auf dich, weil du …“
Mehr Arroganz konnte Matthew nicht verkraften. Er holte aus und legte sein ganzes Gewicht in den Hieb, der Johnny mit voller Wucht am Kinn traf.
Johnny taumelte einen Schritt zurück, blieb aber auf den Beinen. Seine Augen wurden vor Schreck ganz groß.
Ein starker Schmerz schoss durch Matthews Faust und schürte seinen Zorn nur noch mehr. Er wollte seinen Bruder zu Boden schlagen. Und er wusste, wie er dabei vorgehen musste. „Weißt du was, Johnny? Auf dich wäre Mama nicht stolz. Sie wäre nicht stolz auf das, was du getan hast, und darauf, dass du jetzt mit dieser Frau zusammen bist.“ Matthew warf einen vernichtenden Blick zur Schlafzimmertür. „Sie würde sich deiner schämen, wenn sie wüsste, was du aus deinem Leben gemacht hast. Was du da drinnen mit dieser Hure machst.“
„Matthew, du hast mich falsch verstanden. Ich wollte …“
„Ich habe dich schon richtig verstanden. Ich habe immer zu dir aufgesehen, und jetzt weiß ich nicht mehr, warum ich das je getan habe.“ Er stieß ein humorloses Lachen aus. „Du bist schwach, Johnny. Du bist schwach und du bist ein Idiot, und ich bin froh, dass sie nicht mehr erleben muss, wie ähnlich du Haymen Taylor geworden bist.“
Johnnys Gesicht umwölkte sich. Matthew wappnete sich und wusste, dass sein Fausthieb ihn dieses Mal bewusstlos schlagen würde. Aber nichts geschah. Als sich seine Wut, die sich wie ein Schleier über seine Augen gelegt hatte, so weit verzog, dass er Johnnys Gesicht wieder deutlicher sehen konnte, zog sich Matthews Magen vor Übelkeit zusammen.
„Du hast recht, Matthew. Den größten Teil meines Lebens habe ich ein Leben geführt, auf das ich nicht stolz bin.“ Johnnys tiefe Stimme war leise. „Ich habe viele Fehler gemacht, und ich bereue sie. Als Jugendlicher …“ Er schüttelte den Kopf. „… hätte ich in vielerlei Hinsicht besser an dir handeln können. Das weiß ich jetzt. Aber ich habe mich geändert, Matthew. Ich versuche, ein besserer Mensch zu sein, und … ich bin nicht mehr so ein Idiot wie früher.“ Er hielt ihm die Hand hin. „Gibst du mir
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