Hoffnung am Horizont (German Edition)
den Achseln und schaute weg.
So wie sie sich benahm, hätte man den Eindruck bekommen können, dass sie sich scheute, ihn zu berühren, was ihm angesichts ihrer Erfahrung als höchst unwahrscheinlich erschien. Er ließ schnell im Geiste die Zeit Revue passieren, die sie inzwischen gemeinsam unterwegs waren, und versuchte sich zu erinnern, wann sie ihn das letzte Mal bewusst berührt hatte. Ihm fiel kein einziges Mal ein. Noch frustrierender war, dass er nicht wusste, warum ihn das so sehr störte. Aber es störte ihn.
Da ihm bewusst wurde, wie grob seine Stimme soeben geklungen hatte, zwang er sich, sie zu mäßigen. „Ich will einfach nicht ins Lager zurückreiten und dort feststellen, dass ich dich unterwegs verloren habe. Das ist alles.“
Sie schaute stumm zu ihm hinauf. Dann lächelte sie und schob einen Stiefel in den Steigbügel. Sie schwang ihr Bein über den Pferderücken und zupfte dann schnell ihren Rock zurecht.
Ihr Fuß baumelte in der Luft und war immer noch einige Zentimeter vom Steigbügeleisen entfernt. „Ich stelle den Steigbügel auf dich ein“, sagte er und schob den Stoff ihres Rockes beiseite. Er griff nach dem Lederriemen, um ihn kürzer zu ziehen.
Sie beugte sich vor und flüsterte leise und beruhigend mit dem Pferd. Die Falten ihres Rockes verschoben sich wieder und brachten einen wohlgeformten Unterschenkel zum Vorschein.
Matthew wandte seinen Blick ab und versuchte, sich auf den Steigbügel zu konzentrieren, konnte aber plötzlich nichts anderes mehr sehen als diese Bilder, die ihm der Barkeeper gezeigt hatte. Es war, als wären sie in seinen Kopf eingebrannt. Ohne Vorwarnung drängte sich ihm eine Frage auf. „Hast du dich je fotografieren lassen?“
Sie erstarrte und wandte sich zu ihm. Einen Moment lang konnte sie ihn nur anstarren. „Nein“, flüsterte sie schließlich. „Das habe ich nicht.“
Matthew schämte sich zum Teil, weil er diese Frage laut ausgesprochen hatte, aber vor allem war er über ihre Antwort erleichtert. Sie bewegte ihr Bein, als er wieder die Hand ausstreckte, um den Riemen kürzer zu ziehen, und drückte ihren Rock dieses Mal mit einer Hand an ihren Knöchel. Als er auf die andere Seite herumging, machte sie das Gleiche.
Er schob seinen Stiefel in den Steigbügel, hielt sich am Sattelknopf fest und schwang sich hinter ihr hinauf.
Sie drehte leicht den Kopf. „Du hast Fotos gesehen …“
Sein Gesicht begann zu glühen. Ihre Aussage war leise und nicht anklagend, aber trotzdem fühlte er sich angeklagt. „Ich habe nicht darum gebeten. Der Barkeeper hat … sie mir einfach gezeigt.“
Sie sagte nichts, drehte sich wieder nach vorne und gab Manasseh die Fersen.
Als sie ins Lager zurückritten, ertappte sich Matthew dabei, dass er sie betrachtete: die resolute Haltung ihrer Schultern, obwohl sie so schlank waren, und die Art, wie ihre fast schwarzen Haare über ihre Schultern und ihren Rücken fielen. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass sie ihre Haare die meiste Zeit hochgesteckt trug. Oder sie hatte sie zu einem langen Zopf geflochten, der über ihren Rücken fiel. Trotzdem verstand er nicht, dass er bisher noch nicht gemerkt hatte, wie lang ihre Haare in Wirklichkeit waren. Oder dass sie sich unten lockten.
Vorsichtig und da er wusste, dass sie es bei dem rhythmischen Schaukeln des Pferdes nicht merken würde, hob er eine Strähne hoch und rieb sie zwischen seinem Finger und Daumen. Sie fühlte sich seidig an und legte sich geschmeidig um seinen Zeigefinger. Ihm gefielen ihre Haare so besser. Sie gefiel ihm so besser.
Während dieser Gedanke sich tiefer in ihm festsetzte, wanderte sein Blick über ihren anmutigen Rücken. Ungebeten schlichen sich die Bilder, die er an diesem Abend gesehen hatte, wieder in seinen Kopf. Annabelle hatte gesagt, dass sie nie für solche Fotos posiert hatte. Aber unzählige Männer hatten sie so gesehen. Und waren … so bei ihr gewesen.
Er hatte einen kleinen Einblick darin bekommen, wie ihr Leben ausgesehen hatte, und er wollte alles in seiner Macht Stehende tun, um ihr zu helfen, dieses Leben hinter sich zu lassen und ein neues Leben anzufangen. Sie war nicht mehr diese Frau. Irgendwo in der Prärie war diese Überzeugung in ihm gewachsen und er hatte angefangen, Annabelle zu mögen. Aber wäre er je in der Lage, sie wirklich als völlig anderen Menschen zu sehen? Er sah das Gute in ihr, ihre Freundlichkeit und ihr Mitgefühl. Aber könnte er sie je ansehen, wie ein Mann eine Frau ansieht, ohne daran zu
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