Hoffnung am Horizont (German Edition)
eine neue Chance, dein Bruder zu sein?“
In Matthews Herz stritten die verschiedensten Gefühle miteinander. Er schämte sich, weil er das alles gesagt hatte. Nichts davon stimmte. Er hatte es aus seinem verletzten Stolz heraus gesagt und weil er wollte, dass Johnny einsähe, welchen Fehler er mit Annabelle Grayson machte.
Dann bemerkte er etwas aus dem Augenwinkel. Die Schlafzimmertür ging leicht auf. Hatte diese Frau ihren Streit mit angehört? Ihm wurde ganz heiß, als er sich vorstellte, wie sehr eine Frau wie Annabelle Grayson zweifellos spotten würde, nachdem sie von seiner Unerfahrenheit mit Frauen gehört hatte. Besonders in seinem Alter.
„Matthew?“
Eine Bewegung neben ihm riss ihn aus seinen Gedanken und holte ihn in die Gegenwart zurück. Matthew fuhr hoch.
Annabelle kniete neben ihm. Der Schein des Feuers erleuchtete ihr sorgenvolles Gesicht. Matthew wusste, dass sie es war, aber trotzdem konnte er nichts anderes sehen als den verletzten Blick in Johnnys Augen. Scham und Bedauern durchfluteten ihn, als er an die letzten Worte dachte, die er zu seinem Bruder gesagt hatte, besonders da er wusste, dass Annabelle zweifellos jedes Wort gehört hatte.
„Matthew, geht es dir gut?“
Ihre Augen, die im Feuerschein ein dunkleres Blau angenommen hatten, schauten ihn fragend an, und er wurde nervös, als er feststellte, dass diesen Augen nicht viel entging.
„Mir geht es gut.“ Er setzte sich auf. „Warum bist du wach?“
„Ich dachte, ich hätte vor einer Minute etwas gehört.“ Sie zog eine Schulter in die Höhe und ließ sie dann wieder fallen.
Er streichelte mit einer Hand beruhigend ihr Gesicht und griff nach seinem Gewehr. „Ich schaue nach. Schlaf weiter.“
Er drehte zwei Runden um das Lager und stellte fest, dass alles ruhig war. Er blieb neben dem Wagen stehen und schaute zum dunklen Nachthimmel hinauf. Während er die Sterne betrachtete, schluckte er schwer. Sosehr er es auch versuchte, konnte er die Worte, die sich ständig in seinem Kopf wiederholten, nicht abstellen. Er bereute diese Worte jetzt noch mehr als damals im Herbst, als er sie im Zorn gesagt hatte. „Ich schäme mich für dich, Johnny. Ich wünschte, ich hätte nie einen Bruder gehabt.“
Kapitel 25
A m nächsten Abend blieb Matthew vor der Tür eines Spielsalons im Westen Wyomings stehen. Die lauten Stimmen der vielen Menschen in diesem Gebäude drangen durch die offenen Türen nach draußen. Ein Einspänner fuhr hinter ihm durch die Straße. Er war dankbar, dass Annabelle nicht bei ihm war, aber das verringerte nicht seine Sorge um sie, seit sie sich vor wenigen Minuten in der Stadt getrennt hatten. Es war seine Idee gewesen, es so zu machen. Anfangs hatte sie ihm widersprochen, aber nach ihren Erfahrungen in Parkston vor fast zwei Wochen hatte er darauf bestanden, dass er die Saloons und Spielhallen in den Städten, durch die sie kamen, besuchte, auch wenn das für ihn mit einem Risiko verbunden war. Sie hingegen sollte lieber die Bordelle aufsuchen. Er glaubte, dass sie dort sicherer wäre, da sie dieses Leben wesentlich besser kannte als er. Aber noch wichtiger war für ihn, dass er nicht das Risiko eingehen wollte, dass sie die Wahrheit über ihn herausfände.
In Willow Springs war er beunruhigt gewesen, dass sie es herausfinden und das Wissen um seine Spielschulden gegen ihn verwenden könnte. Jetzt war er besorgt, dass sie die Wahrheit erfahren und herausfinden würde, dass er nicht der Mann war, für den sie ihn hielt. Irgendwie graute ihm davor noch mehr.
An diesem Morgen war er, sobald die Sonne aufgegangen war, zum Bach marschiert, hatte gebadet und seine Kleidung gewaschen und war ins Lager zurückgekehrt, bevor Annabelle aufwachte. Dann war er einen Moment geblieben und hatte sie im Schlaf betrachtet. Er musste daran denken, dass sie gesagt hatte, dass er genauso viel Zeit zum Baden haben sollte wie sie. Er war noch nie einer Frau begegnet, die ihre Meinung so großzügig kundtat und es dabei trotzdem schaffte, andere Dinge so sehr unter Verschluss zu halten.
Er atmete tief ein und trat durch die offenen Türen der Spielhalle. Sein Ziel heute Abend war einfach. Er würde sich ein Glas Whiskey bestellen, es kaum anrühren, ein paar Fragen stellen und dann wieder gehen.
„Was darf ’ s sein?“ Ein drahtiger, kleiner Mann mit einem Kopf, der viel zu groß für seinen Körper war, wartete hinter der Theke auf seine Antwort.
„Whiskey pur.“
Der Barkeeper schenkte ihm ein Glas ein. Matthew fiel
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