Hoffnung am Horizont (German Edition)
schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich denke, ich kann damit umgehen“, sagte er und fragte sich gedankenabwesend, ob der Arzt auch beim Nähen summen würde. Als er fühlte, wie die Nadel in seine Haut eindrang, biss er die Zähne zusammen.
„Sie hat mir von den Blutungen erzählt …“
Es kostete Matthew seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht zu reagieren.
„Aber sie hat gesagt, dass sie inzwischen wieder aufgehört haben.“ Der Arzt unterbrach das Nähen und beugte sich näher über die Wunde, um seine Arbeit zu begutachten. „Und sie hatte in den letzten Tagen auch keine Schmerzen mehr. Das ist ein gutes Zeichen. Sie hat trotzdem immer noch Angst, dass sie das Baby verlieren könnte. Ich verstehe zwar ihre Sorgen, aber ich habe ihr versichert, dass ich keine Anzeichen dafür sehe, dass das in diesem Stadium passieren könnte.“
Matthew dachte daran, dass Annabelle auf der anderen Seite der Tür saß. „Warum hat sie dann so ausgesehen, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen?“
„Die Gefühle einer Frau können sehr empfindlich sein, wenn sie schwanger ist. Ihre Frau macht sich Sorgen, besonders wegen der traurigen Erfahrungen bei ihrer ersten Schwangerschaft.“
Matthews Magen zog sich zusammen und neue Schuldgefühle belasteten sein Gewissen.
„Ich habe Ihrer Frau versichert, dass der Verlust ihres ersten Kindes keine negativen Folgen auf diese Schwangerschaft hat. Die Umstände damals waren extrem, und nach so langer Zeit müssten ihre inneren Verletzungen vollständig ausgeheilt sein. Natürlich kann man nicht mit Bestimmtheit wissen …“ Die Stimme des Arztes wurde leiser und zurückhaltender. „… ob das Innere ihres Körpers so gut geheilt ist, wie wir hoffen.“
Matthew wollte fragen, wie diese inneren Verletzungen aussahen, aber er wusste, dass er das nicht konnte. „Aber Sie denken, dass sie dieses Kind austragen kann … und alles gut geht?“
„Nach allen Anzeichen, die sie mir geschildert hat, denke ich schon. Sie braucht viel Ruhe, sie muss sich gesund ernähren … Und frische Luft wird ihr auch guttun.“
„Ruhe, gesunde Ernährung … frische Luft.“ Matthews Verstand arbeitete auf Hochtouren. Ihm drängten sich Fragen auf, die er nicht stellen durfte und nicht stellen konnte, da er ja als „ihr Mann“ die Antworten darauf schon längst wissen musste. „Hat sie Ihnen gesagt, dass wir im Planwagen unterwegs sind?“
„Ja, das hat sie. Ich kann Ihnen nur das Gleiche sagen, was ich Ihrer Frau auch schon gesagt habe: Sie ist eine starke, gesunde Frau, und Frauen bringen seit Beginn der Menschheitsgeschichte Kinder zur Welt. Solange Sie vorsichtig sind und sie sich nicht übernimmt, sehe ich keinen Grund zur Besorgnis. Außerdem sind Sie längst in Idaho, wenn Ihr Kind kommt.“ Er stand auf. „Jetzt lege ich Ihnen einen neuen Verband an. Dann bekommen Sie eine Armschlinge und können mit Ihrer Frau weiterfahren.“
Matthew setzte sich langsam auf. Ihm war leicht schwindelig. „Kann ich noch irgendetwas anderes für Sie tun?“
Der junge Arzt schaute ihn an, und wieder strahlte er eine Weisheit aus, die Matthew ihm in seinem Alter gar nicht zugetraut hätte. „Seien Sie einfühlsam und verständnisvoll. Lassen Sie sie, selbst wenn Sie sie nicht verstehen, was oft der Fall sein wird, wissen, dass Sie sie lieben und stolz darauf sind, dass sie Sie geheiratet hat.“
Matthew ahnte, dass das noch nicht alles war.
„Wenigstens glaube ich, dass ich damit meinen Vater richtig zitiere“, fügte der Arzt mit einem trockenen Lächeln hinzu.
Matthew war in Gedanken immer noch bei dem Rat, den ihm der junge Arzt zum Abschied gegeben hatte, als er Annabelles Arm nahm und sie die Praxis verließen und er sie über die Straße zum Kolonialwarenladen führte. Sie schien nicht mehr den Tränen nahe zu sein. Andererseits hatte er vorher auch keine Ahnung davon gehabt, dass sie aufgewühlt gewesen war. Aber er war klug genug, sie jetzt nicht in Bezug auf irgendetwas zur Rede zu stellen. Geduld war eine Tugend, die er im Umgang mit dieser Frau offensichtlich lernen sollte.
„Ich habe für jeden von uns eine Liste geschrieben, während du beim Arzt warst“, sagte sie, sobald sie sich im Kolonialwarenladen befanden. Sie reichte ihm einen Zettel, dann beugte sie sich näher zu ihm und berührte leicht die Schlinge, in der sein Arm lag. „Geht es dir gut?“
„Bestens“, log er. „Warum?“
„Du siehst blass aus.“
„Ich bin nur müde. Und ich habe
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