Hoffnung am Horizont (German Edition)
machte, wusste er selbst nicht.
Sie warf einen Blick auf das Fleisch, das über dem Feuer briet. „Du hättest mit dem Jagen besser warten und der Wunde Zeit lassen sollen zu heilen.“
„Wir haben seit einer Woche keine Antilopen mehr gesehen. Wir wissen nicht, wann wir wieder welche sehen. Außerdem wollte ich frisches Fleisch.“ Annabelle hatte auch seit Tagen keines mehr gehabt. Der Arzt hatte aber gesagt, dass sie genug Schlaf, gesundes Essen und frische Luft brauchte. Frische Luft hatte sie mehr als genug, und er hatte so viel von der Arbeit übernommen, wie er konnte. Er stand früher auf, um schon vorzuarbeiten, und er ermutigte sie, weniger anstrengende Aufgaben zu erledigen, aber das war gar nicht so einfach. Diese Frau ließ sich nur schwer von etwas abbringen, das sie sich in den Kopf setzte.
„Glaubst du, dass wir sie finden, Matthew?“
Sadie schien nie weit von ihren Gedanken entfernt zu sein. Er hatte zwar immer noch die Hoffnung, dass sie das Mädchen finden würden, aber je weiter sie in den Norden kamen, umso stärker wurden seine Zweifel. „Ja, das glaube ich.“
„Danke, dass du bei deiner Antwort nicht gezögert hast. Zögern verrät Unsicherheit.“ Sie bedachte ihn mit einem Blick, der einer alten Lehrerin Konkurrenz machte, bevor sie sich wieder auf ihre Decke legte. „Oder es zeigt, dass man lügt.“
„Das merke ich mir.“ Matthew lächelte in sich hinein und schichtete das Holz des Lagerfeuers so, dass das Feuer auf kleiner Flamme weiterbrannte. Seine Gedanken und sein Körper waren gleichermaßen erschöpft. Seit der Nacht, in der die Wölfe sie überfallen hatten, legten sie sich ans selbe Feuer. Und sie hatten sich noch etwas anderes angewöhnt. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er diese Gewohnheit inzwischen genoss. Er schloss die Augen, zog die Decke über seine Brust und begann im Stillen zu zählen. Er wettete, dass sie es heute Nacht nicht länger als fünf Minuten aushalten würde, bis sie ihre erste Frage stellte.
Das Zirpen der Grillen, das Knistern des Feuers und sein voller Magen machten ihm das Zählen schwer. Der Schlaf wollte ihn übermannen.
„Glaubst du, Gott lässt uns für unsere Sünden zahlen, Matthew? Auch wenn sie uns vergeben wurden?“
Drei Minuten, einundzwanzig Sekunden. Schade, dass er sich am Pokertisch nicht so gut auf sein Gefühl hatte verlassen können. Er konnte sich nicht erinnern, in welcher Nacht die Fragen angefangen hatten, er wusste nur, dass er es immer mehr genoss, unter dem Sternenhimmel zu liegen und sich mit ihr zu unterhalten. Das erinnerte ihn an die Zeit, als er und Johnny Jungen gewesen waren.
Matthew dachte über ihre Frage nach und wusste, dass derjenige, der ihre Frage perfekt beantworten könnte, ihnen in diesem Moment bestimmt zuhörte. „Ja … und nein“, antwortete er leise.
Er hörte ihr leises Lachen. Ihre Fragen waren nie leicht. Er wusste nicht auf alle eine Antwort, aber das erwartete sie auch nicht. Er hatte früher immer gedacht, er hätte für alles eine brauchbare Erklärung, aber jetzt … Es gab so vieles, dessen er sich früher so sicher gewesen war, das er jetzt infrage stellte.
Er faltete die Hände hinter seinem Kopf. „Ich denke, dass wir in diesem Leben die Freiheit haben, Entscheidungen zu treffen, und dazu gehört auch, dass wir von Zeit zu Zeit falsche Entscheidungen treffen. Aber auch wenn uns unsere Fehler noch so leidtun, müssen wir trotzdem den Preis dafür zahlen.“ Er betrachtete ein bestimmtes Sternbild, bis die sieben Sterne vor seinen Augen verschwammen und dann zu einem einzigen Punkt verschmolzen. Herr, wenn du mich hören kannst, wenn du mir zuhörst … es tut mir leid, was ich getan habe. Er schluckte. „Ich glaube nicht, dass das heißt, dass Gott uns nicht vergeben hätte. Das heißt nur, dass wir für die Entscheidungen, die wir treffen, verantwortlich sind. Sowohl für die guten … als auch für die schlechten.“
„Glaubst du, dass Gott uns je absichtlich wehtut?“, flüsterte sie nach einem Moment, und ihre Stimme klang noch leiser als vorher.
Bibelverse, die Matthew als kleiner Junge hatte auswendig lernen müssen, kamen ihm in den Sinn, aber sie wären Annabelle kein großer Trost. Genauso wenig, wie sie ihm geholfen hatten. „Am Tag des Gerichts werden zwar viele sagen: ‚Aber Herr …‘ Aber ich werde ihnen antworten: ‚Ich kenne euch nicht, denn ihr habt nicht nach meinem Willen gelebt. Geht mir aus den Augen!‘“ Und: „Eure Worte
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