Hoffnung am Horizont (German Edition)
sind der Maßstab, nach dem ihr freigesprochen oder verurteilt werdet.“ Seine Kehle schnürte sich zusammen, als er sich daran erinnerte, wie er diese Worte Woche für Woche von der Kanzel gehört hatte. Und sein Vater war der Pfarrer gewesen. „Alle sind Sünder und haben nichts aufzuweisen, was Gott gefallen könnte.“
Er hörte ein Geräusch und stützte sich auf den Ellenbogen. Annabelle lag auf der Seite und hatte ihre Decke bis unter ihr Kinn gezogen. Obwohl das Feuer zwischen ihnen brannte, sah er, dass ihre Wangen feucht glänzten und die Schuldgefühle, die sich tief in ihr Gesicht schnitten, schmerzten ihn zutiefst. Sie dachte anscheinend, er hätte von ihren schlechten Entscheidungen gesprochen …
„Annabelle, ich habe gerade von mir gesprochen, nicht von dir.“
Sie atmete abgehackt ein. „Es ist nur … ich habe eine Geschichte von einem Mann und einer Frau gelesen, die miteinander geschlafen haben, obwohl sie das nicht sollten, und …“ Sie kniff die Lippen zusammen.
Matthew erinnerte sich, dass er sie an diesem Abend allein hatte sitzen und lesen sehen, aber er hatte nicht gewusst, was sie gelesen hatte.
Sie schniefte. „Die Frau wurde schwanger, nachdem sie … zusammen gewesen waren, und Gott war von ihrem Verhalten nicht erfreut. Er vergab dem Mann und der Frau und sagte, dass sie für ihre Sünde nicht sterben würden.“ Sie brach ab. Als sie weitersprach, war ihre Stimme kaum zu verstehen. „Aber dass ihr Baby sterben würde.“
Matthew stand von seiner Decke auf, ging zu ihr hinüber und kniete neben ihr nieder. „Hast du Probleme? Mehr Schmerzen, als du sie in Willow Springs hattest?“
Sie schüttelte den Kopf. „Verstehst du das denn nicht …? Wenn Gott damals dieses Kind sterben ließ, Matthew … könnte es doch auch sein, dass er mein und Jonathans Kind sterben lässt.“
Als sie den Namen seines Bruders erwähnte, dachte Matthew daran, dass Johnny und Annabelle Mann und Frau gewesen waren. Und zum ersten Mal betrachtete er das Kind, das sie in sich trug, als einen Teil von Johnny. Warum hatte er diese Verbindung nicht schon vorher herstellen können?
Er setzte sich neben sie. „Annabelle, handelte die Geschichte, die du gelesen hast, von einem Mann namens David?“
Sie nickte und schloss die Augen. Unter ihren geschlossenen Lidern traten Tränen hervor.
Er berührte ihre Schulter und drückte sie sanft.
Ein Zittern lief durch ihren Körper.
Er beugte sich über sie und zog ihre Decke enger um ihren Körper. Aber als sich ihre Blicke begegneten, fragte er sich, ob diese Geste weise war. Noch vor gar nicht langer Zeit war diese Frau für ihn völlig unattraktiv gewesen. Wie hatte sie sich in so kurzer Zeit so sehr verändern können? Er konzentrierte sich wieder auf die Antwort, die er ihr hatte geben wollen. „Das, was diese beiden getan haben, war falsch. Das lässt sich nicht bestreiten. Aber hinter dieser Situation steckte viel mehr. David hatte nicht nur mit einer fremden Frau geschlafen.“
Sie brachte schließlich ein nicht überzeugendes Nicken zustande.
Sein Blick fiel auf ihre Haare, die offen und dunkel über ihre Decke fielen. Er berührte eine Haarsträhne und wünschte, er könnte ihre Zweifel ausräumen. Er streichelte ihre Wange und sie atmete langsam aus.
„Du und Johnny … ihr wart verheiratet. Zwischen euch war es völlig anders.“
Die Falten auf ihrer Stirn verrieten, dass sie immer noch skeptisch war, und ließen ihn einen Blick auf eine Verwundbarkeit werfen, die er noch nie bei Annabelle gesehen hatte.
Er fuhr mit dem Finger die sanfte Kurve ihrer Wangen nach und bewegte sich langsam nach unten zu ihrem weichen Hals. Ihm wurde erneut bewusst, wie allein sie waren. Sein Blick wanderte an ihrem Körper hinab, verweilte kurz und kehrte dann wieder zu ihrem Gesicht zurück. Einen Moment lang sahen sie sich nur an. Eine Sehnsucht erfüllte ihn. Nicht nur ein körperliches Verlangen nach ihr, sondern eine tiefe Sehnsucht, sie wirklich zu kennen . Seine Hand zitterte. Seine Gedanken schlugen Wege ein, zu denen sie kein Recht hatten, und lebhafte Bilder tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Er zweifelte nicht daran, dass sie genau wusste, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Natürlich wusste sie das.
Sie rührte sich nicht. Ihre Miene lud ihn weder zu mehr ein, noch verurteilte sie ihn wegen der Freiheiten, die er sich erlaubte.
Obwohl er es nicht wollte, zog Matthew langsam seine Hand zurück.
Er atmete tief ein. Zu seiner
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