Hoffnung am Horizont (German Edition)
einer Geldsumme gemessen wurde, die nicht einmal besonders hoch angesetzt war. Einen kurzen Moment lang malte er sich aus, dass sein früherer Arbeitgeber in San Antonio ihn lediglich die Summe zahlen ließ, die er zur Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt hatte, und dass sie damit quitt wären. Aber Señor Antonio Sedillos ließ sich auf keine Teilzahlung ein und er war nie bereit, über irgendetwas zu verhandeln. Das hatte Matthew am eigenen Leib erfahren.
Er ließ den Kopf hängen und sein Herz pochte laut. Ihm wurde übel und siedend heiß und dann im nächsten Moment wieder eiskalt vor Angst. Wie hatte er nur so tief sinken …
„Guten Morgen, Mr Taylor.“
Er fuhr zusammen. „Lilly …“ Er hatte Mühe, ihren Namen ruhig auszusprechen. Die Tochter der Carlsons stand in der Tür der Scheune und hatte die Hände hinter dem Rücken gefaltet. „Was führt dich hierher, Kleine?“
Er stopfte die Zettel wieder in seine Satteltasche und zog den Ledergurt zu. Er musste diese Sachen verbrennen, aber gestern früh im Mietstall war dafür keine Zeit gewesen. Und er konnte es nicht riskieren, irgendwelche Spuren im Feuer der Schmiede zurückzulassen.
„Ich bin nicht mehr klein, Mr Taylor. Ich werde im nächsten Monat zwölf.“
Er wischte seine schweißbedeckten Handflächen an seiner Jeans ab und sah das trotzig vorgeschobene Kinn des Mädchens. „Ach, wirklich? Schon so alt?“ Sie war fertig angezogen, um zur Schule zu gehen, und wippte auf ihren Fußballen und Fersen vor und zurück.
Sie hörte auf zu wippen. „Sind Sie sauer auf mich?“
„Nein, überhaupt nicht. Wie kommst du denn darauf?“ Lilly hatte offensichtlich die Direktheit ihres Vaters und die Schönheit ihrer Mutter geerbt. „Du siehst heute sehr hübsch aus, Lilly.“
„Danke.“ Sie strahlte über sein Kompliment und spielte mit ihrem knöchellangen Rock. „Mama hat gesagt, dass Sie zum Frühstück kommen sollen. Sie hat Gebäck mit Bratensoße gemacht.“ Ihre Augen strahlten auf, als sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr. „Wir haben alle schon gegessen, aber ich habe Ihren Teller auf dem Ofen warmgestellt.“
Sie ging neben ihm her, und obwohl sie es sehr gut beherrschte, ihre Behinderung auszugleichen, bemerkte Matthew ihr leichtes Humpeln. Er fragte sich, ob sie mit einem verkürzten Bein geboren worden war oder ob sie einen Unfall gehabt hatte. Als er ihr die Hintertür aufhielt, hörte er Stimmen aus der Küche. Vielleicht hatte Annabelle inzwischen schon gegessen. Er war nicht auf eine neue Auseinandersetzung mit ihr erpicht. Er konnte nur hoffen, dass sie schon wieder unterwegs war.
„Guten Morgen, Mr Taylor. Haben Sie meine Nachricht gesehen?“
So viel zu seinen Hoffnungen! „Guten Morgen, Mrs McCutchens.“ Er setzte sich ans andere Tischende. Lilly stellte mit einem breiten Lächeln einen Teller vor ihn hin. „Ja, Madam. Ich habe ihn gesehen. Danke, Lilly“, fügte er flüsternd hinzu. Er war überrascht, als sie sich neben ihn setzte. Er aß einen Bissen von dem Milchbrötchen, das mit einer gehaltvollen Fleischsoße übergossen war. „Hmm, du hast recht, Kleine. Das schmeckt köstlich.“
Lillys Augen wurden groß. „Ich habe Ihnen doch gesagt, Mr Taylor, dass ich …“
„Dass du im nächsten Monat zwölf wirst.“ Er nickte. „Das habe ich mir gemerkt. Du bist also schon fast erwachsen.“
Sie belohnte ihn mit einem weiteren Lächeln. Süßes Kind.
Matthew spürte, wie Annabelle ihn beobachtete, und wartete. Er genoss den nächsten Bissen. Es tat gut, wieder etwas im Magen zu haben.
„Und, Mr Taylor?“ Annabelles Stimme nahm einen Tonfall an, den er schon einige Male bei ihr gehört hatte.
Er ließ sich Zeit, bis er den Kopf hob und sie ansah, und erinnerte sich an ihre letzten Worte vor zwei Tagen auf der Veranda. „Nur um die Verhältnisse klarzustellen, darf ich Sie freundlich daran erinnern, wer hier der Chef ist.“ Er verzog das Gesicht, als er wieder die Miene vor sich sah, mit der sie das gesagt hatte. Noch nie zuvor hatte eine Frau so direkt mit ihm gesprochen. Und mit einer solchen Herausforderung in der Stimme. Das gefiel ihm überhaupt nicht.
„Und … was, Madam?“, fragte er schließlich.
„Was ist Ihre Antwort?“
„Ehrlich gesagt, hatte ich noch keine Zeit, Ihre Nachricht zu lesen.“
Ihr Seufzen spiegelte seine eigene Gereiztheit wider. „Mr Taylor, ich habe Ihnen geschrieben, dass wir unsere Abfahrt um einen Tag verschieben müssen, weil …“
„Nein. Das ist
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