Hoffnung am Horizont (German Edition)
„Es tut mir so leid.“
Hannahs leises Schluchzen in der Dunkelheit unterstrich seine Entschuldigung.
„Nachdem sie immer wieder weggelaufen und zurückgeholt worden waren, jedes Mal ein Stück gebrochener, hatten es einige Mädchen so satt, dass sie diesem Leben im Bordell ein Ende setzten. Sie nahmen eine Überdosis Morphium oder Laudanum. Aber das konnte ich nicht.“ Was nicht hieß, dass sie nie daran gedacht hätte.
Annabelle kämpfte gegen eine alte Angst an und kniff die Lippen fest zusammen, als sie wieder an Sadie denken musste. Oh, Gott, was war nur aus dem Kind geworden? Wo war sie? Annabelle suchte die dunklen Wiesen neben dem Haus ab. Die dichten Büschel des Frühlingsgrases, das jetzt kniehoch war, leuchteten grau im Mondlicht. „Ich hatte zu viel Angst.“ Ihr Lachen klang heiser, als eine Erinnerung an ihr altes Leben vor ihrem geistigen Auge auftauchte. „Ich fühlte mich gefangen. Ich wollte nicht weiterleben, aber vor dem Tod hatte ich noch mehr Angst.“
„Das tut uns so leid, Annabelle“, wiederholte Patrick noch einmal in einem rauen Flüstern.
Schweigen legte sich über sie.
Annabelle drehte sich um und schaute die beiden an. Patricks Kopf war gebeugt. Hannah ließ den Kopf ebenfalls hängen. Er war ein so guter Mann, ein gottesfürchtiger Mann, und er war nicht völlig naiv, was das Leben in dieser Welt anging. Und Hannah war die beste Frau, die sie sich vorstellen konnte. Annabelle hatte nie viel über ihr früheres Leben im Bordell gesprochen, aber jedes Mal, wenn das Gespräch darauf kam, war sie ehrlich gewesen. Doch jetzt fragte sie sich, ob sie heute Abend vielleicht zu ehrlich gewesen war.
„Es tut mir leid, was all diese Männer dir angetan haben, Annabelle.“
Patricks Worte kamen so unerwartet, das leise Mitgefühl in seiner Stimme war so sanft, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Es klang, als wollte er sich im Namen all dieser Männer entschuldigen. Sie konnte sich nicht erinnern, wie viele es gewesen waren. Und sie wollte sich auch nicht daran erinnern. Auch wenn sie sie schon nicht aus ihrem Gedächtnis löschen konnte, konnte sie in Zukunft doch so leben, als hätte sie sie gelöscht. Und dazu war sie fest entschlossen.
Kapitel 14
A m Freitagmorgen traf Matthew vor Tagesanbruch im Mietstall ein. Seine ohnehin schon missmutige Stimmung verdüsterte sich noch mehr, als er feststellen musste, dass er nicht der erste Kunde war. Der Mann, der schon vor der Tür wartete, war ihm nicht bekannt, aber er schien harmlos zu sein. Matthew ließ seinen Blick nach links und rechts durch die Straße wandern und war dankbar, dass noch nicht viele auf den Beinen waren und dass der untersetzte Mann neben ihm kein Gespräch mit ihm suchte.
Jake Sampson blickte überrascht auf, als er das große Holztor aufschob. „Oh, ihr seid aber sehr früh auf den Beinen.“ Er warf einen Blick auf die dunkle Straße. „Ihr wollt eure Sachen erledigen, bevor es in der Stadt rund geht, was?“ Er lachte, als hätte er einen guten Witz erzählt.
Sie folgten Jake in den Stall.
„Du bist wegen deines Wagens gekommen, nicht wahr, Duncan? Er ist fertig, und wenn ich das sagen darf …“ Er zwinkerte und setzte sein typisches schiefes Grinsen auf. „… er ist ein Meisterwerk geworden. Ich habe gestern bis spät abends gearbeitet, damit alles so ist wie du …“
Während Jake weiterplapperte, betrachtete Matthew den Wagen an der Hinterseite des Gebäudes und dann den Mann, der neben ihm stand. Duncan schien es schwerzufallen, Jake direkt anzuschauen, und er bearbeitete nervös den Hut in seinen Händen.
„Jake“, fiel Duncan ihm ins Wort und warf einen kurzen Blick auf Matthew, bevor er wieder den Kopf hängen ließ. „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber … ich kann den Wagen nicht nehmen. Ich brauche ihn zwar immer noch und ich will dich nicht übers Ohr hauen … aber ich habe im Moment einfach kein Geld dafür.“
Das Lächeln verschwand aus Jakes Gesicht. „Geht es Ellen wieder schlechter?“
Duncan nickte und schwieg einen Moment. Dann räusperte er sich. „Dr. Hadley tut, was er kann, aber es wird einfach nicht besser mit ihr. Und unser Sohn hat sich jetzt auch noch angesteckt. Ich könnte mich im Moment totarbeiten.“ Seine Miene wurde ernst. „Aber ich habe dir mitgebracht, was ich habe.“ Er kramte in seiner Hemdtasche. „Nimm es als Anzahlung. Wenn ich …“
Jake lehnte das Geld mit einem Kopfschütteln ab. „Das mache ich nicht,
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