Hoffnung am Horizont (German Edition)
Die Schlussfolgerungen, die Miss Maudie jetzt zöge, würden sie zweifellos in einem Licht darstellen, das ihr nicht zustand. Sie versuchte, mit Kathryn und Hannah Blickkontakt aufzunehmen, aber ohne Erfolg.
Miss Maudies Miene strahlte auf. „Ist es nicht ein Wunder, wie Gott Freundschaften in unser Leben einflicht? Wenn es geschieht, merken wir kaum, was er macht. Aber wenn wir später zurückblicken …“ Sie unterstrich ihre Worte mit einer Handbewegung. „… sehen wir, dass seine Hand am Wirken war. Ich finde es wunderbar, dass Gott drei so gute Frauen zusammengeführt hat.“
Je länger Miss Maudie sprach, desto mehr wuchs Annabelles Unbehagen. Als sie und Jonathan in Denver gewohnt hatten und dann mit Brennans Wagentreck unterwegs gewesen waren, hatte niemand etwas über ihre Vergangenheit gewusst. Aber diese Leute hatten sie auch nie für so einen guten Menschen gehalten, wie Miss Maudie das jetzt offensichtlich machte.
„Entschuldigen Sie, Miss Maudie.“ Sie brach ab und fragte sich, wie sie ihr Geständnis formulieren sollte. „Aber ich fürchte, Sie sind im Irrtum. Ich bin ganz und gar nicht …“
„Ich gebe dir vollkommen recht, Annabelle“, fiel Kathryn ihr ins Wort und beugte sich vor.
Annabelle war zwar erleichtert, dass ihr ihre Freundin zu Hilfe kam, aber gleichzeitig war sie enttäuscht, dass das überhaupt nötig war.
„Sie sind wirklich im Irrtum, Miss Maudie“, sprach Kathryn weiter. „Sie haben von drei guten Frauen gesprochen.“ Sie betonte diese Worte und warf Annabelle einen einfühlsamen Blick zu. „Sie haben sich verzählt. Ich glaube, ich sehe hier im Zimmer vier Frauen, auf die diese Beschreibung zutrifft.“
Der Blick, den Kathryn Annabelle zuwarf, besagte, dass sie später darüber sprechen würden.
* * *
Als sie am Nachmittag schon fast wieder bei Hannahs Haus angekommen waren, konnte Annabelle nicht länger an sich halten. Sie beugte sich von hinten über die Rückenlehne des Kutschbocks zu Kathryn und Hannah. „Warum hast du das gemacht?“
Ohne den Blick von der Straße abzuwenden, drehte Kathryn leicht den Kopf zu ihr herum. „Warum habe ich was gemacht?“
„Dieser guten Frau den Eindruck vermittelt, ich wäre so wie ihr zwei. ‚Drei so gute Frauen‘“ , sagte sie und bemühte sich, Miss Maudies Akzent nachzuahmen.
Hannah lachte. „Du bist eine gute Frau, Annabelle McCutchens.“
Annabelle verzog das Gesicht. „Du weißt, was ich meine. Egal, wie ihr zwei mich seht, es gibt zwischen uns einen Unterschied wegen der Dinge, die ich getan habe. Und mich vor jemandem wie Miss Maudie so darzustellen, als wäre ich eine … eine Dame, kommt mir einfach irgendwie verlogen vor.“
Kathryn brachte den Wagen hinter dem Haus der Carlsons zum Stehen und legte die Bremse ein. „Ich glaube, ich weiß, was du meinst, und ich kann dir eine Antwort darauf geben.“
„Daran habe ich nie gezweifelt“, sagte Annabelle augenzwinkernd. „Und wenn du keine wüsstest, würdest du dir schnell eine einfallen lassen.“ Sie wich Kathryns scherzhaftem Schlag aus.
Kathryns Miene wurde nachdenklich. „Auch wenn uns unsere Schuld vergeben ist, können wir sie nicht vergessen. Wir tragen die Erinnerung an schlechte Entscheidungen, die wir getroffen haben, mit uns herum, und auch die Erinnerungen an Schuld, die uns andere ohne unser Zutun zugefügt haben.“ Sie drückte sanft Annabelles Hand. „Dein Leben geht weiter und es führt dich von Willow Springs fort. Du wirst viele Menschen kennenlernen, die keine Ahnung von dem Leben haben, das du früher hier geführt hast. Und die meisten werden es auch nie erfahren müssen. Aber ich bin mir sicher, dass Gott dir zeigen wird, wann es an der Zeit ist, einem Menschen deine Geschichte zu erzählen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Entweder, um dem anderen Hoffnung zu schenken, oder um ihm zu zeigen, wie sehr Vergebung das Leben eines Menschen verändern kann. Und wenn es so weit ist, wird es dich wahrscheinlich einiges kosten, über deine Vergangenheit zu sprechen. Aber es ist auch ein Segen damit verbunden, dass du dieses Risiko eingehst und Gottes Stimme gehorchst.“
„Kathryn hat recht, Annabelle. Du wirst merken, wenn es der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort ist. Hör einfach auf Gottes Stimme.“
Annabelle nickte und dachte traurig daran, dass sie nie wieder zwei Frauen finden würde, die ihr so nahestünden wie diese beiden Freundinnen. Aus dem Augenwinkel erblickte sie Matthew, der in der Nähe der
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