Hoffnung am Horizont (German Edition)
Stimme war still geworden. Er begann die Tiere auszuspannen. „Lassen Sie das“, sagte er leise, als sie die nächste Schublade hochheben wollte. „Machen Sie das Essen fertig. Ich kümmere mich darum.“
Nichts an seiner Stimme klang nach einem Befehlston. Ganz im Gegenteil. Deshalb tat Annabelle, was er sagte.
Während des ganzen Abends beobachtete sie, wie er mit einer Effektivität seiner Arbeit nachging, die sie inzwischen bei ihm gewohnt war. Er arbeitete mit einer Gründlichkeit, die Stolz über eine gut gemachte Arbeit verriet. Aber er strahlte jetzt auch eine gewisse Einsamkeit aus, die ihre Blicke immer wieder auf ihn lenkte, besonders, als er sich solche Mühe machte, die Kommode abzuwischen, bevor er sie hinten in den Wagen lud. Sie hatte vorgehabt, sie selbst sauber zu machen, unterließ es aber, als sie ihn sah.
Als sie in dieser Nacht den Kopf auf ihre Decke legte, glaubte Annabelle zu verstehen, was er getan hatte. Auf der anderen Seite des Lagers lag Matthew neben seinem eigenen Feuer und hatte ihr den Rücken zugekehrt. Sie drehte sich auf den Rücken, schaute zum Nachthimmel hinauf und ließ ihre Augen von einem Stern zum anderen wandern. Sie stellte fest, dass es so viele waren, dass sie sich kaum auf einen einzigen konzentrieren konnte, ohne dass ein anderer sich in ihr Blickfeld schlich.
Vielleicht hatte Matthew dadurch, dass er den Staub und Schmutz von dieser Kommode wischte, dadurch, dass seine Hände die Linien berührten, die sein älterer Bruder ausgesägt und abgeschliffen hatte, Jonathan auf seine Art zu Grabe getragen. Und vielleicht könnte die gemeinsame Liebe, die sie beide immer noch für diesen Mann empfanden, dieses starke, zarte Band, das bis jetzt so viel Zwietracht zwischen ihnen ausgelöst hatte, ihnen beiden eines Tages Frieden bringen.
Kapitel 20
A nnabelle nahm ihren ganzen Mut zusammen, holte tief Luft und trat durch die offenen Türen der Spielhalle. Dabei betete sie im Stillen: Gott, bitte führe heute Abend meine Schritte. Wenn Sadie hier ist, dann lass mich sie finden.
Alssie und Matthew am Stadtrand von Parkston, einer winzigen Stadt an der Nordgrenze des Colorado-Territoriums, ihr Lager aufgeschlagen hatten, hatte sich bereits die Abenddämmerung über das Land gelegt. Aus einem Grund, den sie sich selbst nicht erklären konnte, hatte sie Matthew nicht verraten wollen, wohin sie an diesem Abend ging. Sie hatte ihm nicht einmal sagen wollen, dass sie in die Stadt musste. Deshalb hatte sie dieses Mal absichtlich gewartet, bis er eingeschlafen war, bevor sie sich leise davonschlich. In den letzten zwei Tagen hatte sich ein angenehmer Waffenstillstand zwischen ihnen entwickelt. Obwohl sie nicht so weit gehen würde, Matthew als gesprächig zu bezeichnen, hatten sie wenigstens angefangen, miteinander zu sprechen, und sie wollte nichts tun, was ihr sensibles Verhältnis stören könnte. Außerdem bezweifelte sie sehr, dass Matthew das, was sie vorhatte, gutheißen oder sie gar dabei unterstützen würde.
Die dissonanten Akkorde eines verstimmten Klaviers erhöhten den unangenehmen Geräuschpegel in dem verrauchten Saloon noch mehr. Ein Barkeeper hämmerte gnadenlos auf die Klaviertasten ein und spielte ein unzüchtiges Lied, das Annabelle nur allzu gut kannte. Sie zählte ungefähr zwanzig Tische. Alle waren besetzt. Gäste, die nicht Karten spielten, schauten sich das Ganze entweder als Beobachter an oder standen über ihre Gläser gebeugt an der Bar.
Sie sah sich nach Frauen um. Fünf saßen an den Tischen und eine sechste stieg gerade mit einem Mann die Treppe an der Seite hinauf. Annabelles Blick fiel auf den Barkeeper. Er beobachtete sie bereits.
Sie lächelte. Er lächelte nicht.
Der kräftig gebaute kahlköpfige Mann ging an seine Arbeit zurück, aber sie wusste ganz genau, dass seine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, während sie sich ihren Weg zwischen den Tischen zur Bar bahnte. Falls Sadie hier arbeitete oder in den letzten Monaten hier gewesen war, dann wüsste es dieser Mann mit Sicherheit.
Sie hatte ihr Geld bei sich. Ihr ganzes Geld. Es steckte in einem Beutel, den sie um ihren Oberschenkel gebunden hatte, wo er ihr nicht weggenommen werden konnte, ohne dass sie es merkte. Sie wünschte jetzt, sie hätte einige Münzen greifbar, um sich etwas zu trinken zu kaufen. Natürlich trank sie sonst keinen Alkohol. Dieses Laster hatte schon vor Jahren seinen Reiz verloren, da sie zu oft gesehen hatte, welchen Preis es kostete. Es war so, wie sie es
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