Hoffnung am Horizont (German Edition)
ihr in die Augen. Sie konnte das nicht tun. Sie liebte Sadie wirklich sehr, aber was dieser Mann von ihr verlangte, war ihr jetzt nicht mehr möglich. Wenn sie durch diese Tür ginge, gäbe es kein Zurück mehr.
Plötzlich regte sich Ärger in ihr. Gott hatte ihr in den letzten Monaten so viel geschenkt, aber sie hatte auch einiges gegeben. Sie hatte in ihrem Leben und bei sich selbst Veränderungen vorgenommen, um Gott besser zu gefallen. Und das bekam sie jetzt als Dank? Sie hatte bewusst darauf geachtet, nicht zu viel von ihm zu verlangen. Denn sie wusste, wie es war, wenn jemand nur nahm und nahm und nahm … und nie etwas zurückgab.
Trotzdem hatte sie von Gott mehr erwartet als das jetzt. Tränen brannten in ihren Augen.
Sie biss die Zähne zusammen und wandte sich zum Gehen. Sie kam nur zwei Schritte weit, dann wurde sie vom Boden hochgehoben.
„Ich habe gesagt: fünf Minuten. Aber ich glaube allmählich, dass ich gar nicht so lang brauchen werde.“
Ein anzügliches Gelächter scholl durch den Raum.
Der Saloon drehte sich, als der Barkeeper sie plötzlich kopfüber über seine Schulter warf. Das Blut floss ihr in den Kopf. Die Luft wich aus ihrer Lunge. Er schritt zur Tür.
Da sie in dieser Haltung nicht schreien konnte, tat Annabelle das, was sie in ihrem jahrelangen Überlebenskampf gelernt hatte. Sie grub ihre Zähne in das empfindliche Fleisch auf seinem Rücken. Sein Hemd schmeckte nach Schweiß und Rauch. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen, biss aber noch kräftiger zu.
Der Barkeeper stieß ein leises Knurren aus und packte sie an den Haaren. Ein brennender Schmerz breitete sich auf ihrer Kopfhaut aus. Die Muskeln um ihr Kinn wurden kraftlos und ihr Kopf hämmerte, als würde er jeden Augenblick zerbersten. Ihre auf den Kopf gestellte Welt drehte sich.
Es folgte noch mehr Gelächter von den Leuten im Saloon. „Sie ist ganz schön widerspenstig!“ – „Bring dieser Frau eine Lektion bei!“ – „Vielleicht brauchst du doch länger als fünf Minuten!“
Er trug sie durch die Tür und durch einen dunklen Flur. Annabelle schrie und grub ihre Fingernägel in seinen Oberarm, bis seine Haut nachgab. Am Ende des Flurs stieß er mit dem Fuß eine Tür auf. Da er so groß war, stellte sie sich darauf ein, dass der Türrahmen beim Durchgehen ihren Rücken schmerzhaft streifen würde. Aber er bückte sich genau im richtigen Moment.
Er knallte die Tür hinter sich zu. „Sie hätten nicht allein hierherkommen und solche Fragen stellen dürfen.“
Annabelle, die immer noch über seinem Rücken hing, schlug mit den Händen panisch um sich und suchte sein Gesicht. Sie fand es und ging auf seine Augen los.
Mit einem lauten Fluchen hievte er sie hoch und stellte sie unsanft auf die Beine. „Sie sind ein temperamentvolles kleines Ding, das muss man Ihnen lassen.“
Sie atmete zittrig ein und kämpfte gegen ihr Schwindelgefühl an. Der Raum drehte sich immer noch um sie. Dann machte sie einen Satz zur Tür.
Er stellte sich ihr mühelos in den Weg und wehrte ihre Schläge ab. „Beruhigen Sie sich und hören Sie mir eine Minute zu.“
Auf der Suche nach einer Waffe schaute sie sich im Raum um. In der Ecke lag eine Strohmatratze auf dem Boden. Sie war offensichtlich schon stark benutzt worden. Ein mit Papieren übersäter Schreibtisch war gegen die Wand geschoben. Über dem Schreibtisch starrte ihr ein Anschlagbrett, das mit Kohlezeichnungen von Männergesichtern behängt war, entgegen. Sie machte einen schnellen Satz auf den Schreibtisch zu und riss eine Schublade auf.
Der Mann war mit einem Sprung bei ihr, zog ihre Hand zurück und knallte die Schublade zu. Er drückte sie an den Schreibtisch, sodass sie zwischen dem Möbelstück und ihm gefangen war. „Ich werde Ihnen nichts tun. Versprochen.“
Sie spürte seinen warmen Atem in ihren Haaren. Ein Zittern setzte tief in ihrem Inneren ein. Sie dachte an ihr Kind und an den Schaden, den dieser Mann ihr und dem Kind mit einem einzigen Schlag zufügen könnte. Annabelle biss sich innen in die Wange, bis sie Blut schmeckte. Mit Weinen und Betteln würde sie es nur noch schlimmer machen.
Nach einem Moment bewegte er sich von ihr weg, als wollte er ihr Zeit geben, sich zu beruhigen, und baute sich wieder zwischen ihr und der Tür auf.
„Sie werden mich nicht anrühren.“ Sie sprach die Worte langsam, obwohl sie bereits wusste, dass sie vergeblich waren. Sie war ihm kräftemäßig nicht gewachsen.
„Hören Sie mir zu.“ Er trat auf sie
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