Hoffnung am Horizont (German Edition)
entfacht. Dann stand er auf, als wollte er gehen.
„Ich habe heute Abend nicht viel gegessen und wollte mir etwas aufwärmen.“ Sie wandte kurz den Blick ab. „Ich weiß nicht, ob du vielleicht Hunger hast?“
Einige Minuten später saßen sie sich am Feuer gegenüber, genossen seine Wärme und die stille Prärie, aßen aufgewärmtes Pökelfleisch mit Bohnen und spülten das Essen mit Wasser hinunter. Trotz der Einfachheit der Mahlzeit genoss Annabelle das Essen und Matthews Gesellschaft.
„Warum hast du mir nicht gesagt, was du vorhattest? Wie konntest du einfach so in die Stadt gehen?“
Sie hob den Kopf und sah, dass er sie durchdringend anschaute. Sein gebräuntes Gesicht sah im orangegelben Lichtschein fast kupfern aus. Sie stellte ihren Blechteller beiseite. „Weil ich nicht glaubte, dass du damit einverstanden wärst, und weil ich dachte, dass du vielleicht sogar versuchen würdest, mich aufzuhalten.“
Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Der Himmel stehe dem Mann bei, der versucht, dich davon abzuhalten, deinen Kopf durchzusetzen, Annabelle.“
Sie lächelte, denn sie wusste, wie wahr das früher gewesen war, aber sie wusste auch, dass Jonathan McCutchens das alles verändert hatte. Wenn sie nur Jonathan noch einmal sagen könnte, wie viel er für sie getan hatte und wie viel er sie in so kurzer Zeit gelehrt hatte. Aber vielleicht wusste er es ja.
„Wer ist sie? Wer ist diese Frau, von der der Barkeeper gesagt hat, dass du sie suchst?“
Matthews Frage riss sie aus ihren Gedanken. Sie betete um die richtigen Worte. „Sie hat im Bordell von Willow Springs gearbeitet.“ Sie spürte, obwohl sie auf der anderen Seite des Lagerfeuers saß, wie seine innere Anspannung wuchs. „Sie wurde im letzten Januar mitten in der Nacht entführt. Man fand Blut auf ihrem Kissen.“ Sie starrte ins Feuer und erzählte ihm alles, was der Barkeeper gesagt hatte. „Ich bin fest entschlossen, sie zu finden“, fügte sie hinzu, mäßigte aber absichtlich ihren Tonfall.
Das erregte seine Aufmerksamkeit. „Zu welchem Preis?“
Da sie wusste, dass ihm ihre Antwort nicht gefallen würde, und da sie befürchtete, dass er falsche Schlussfolgerungen ziehen würde, formulierte sie ihre Antwort so vorsichtig wie möglich. „Mein Plan ist es, sie aus dem Vertrag oder … der Situation, in der sie steckt, freizukaufen.“
Er brauchte eine Minute. Schließlich nickte er, aber sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass er mit dieser Kopfbewegung nicht seine Zustimmung signalisieren wollte. „Mit wessen Geld?“
Da sie mit ihm nicht dieses Spiel spielen wollte, antwortete sie ihm mit leiser Stimme. „Wir wissen beide, mit wessen Geld, Matthew.“
„Glaubst du, das hätte Johnny gewollt?“
Seine Frage war überflüssig, denn sie enthielt bereits die Antwort. Sie schaute ihn einen Moment wartend an und sah, dass er das selbst auch erkannte.
Er vermied ihren Blick. „Was ist, wenn du sie nicht findest?“
„Ich glaube, dass ich sie finde.“
„Aber wenn nicht?“
Sie hob die Schultern und ließ sie dann sinken. Tränen schnürten ihr die Kehle zu, als sie sich vorstellte, wo Sadie in diesem Moment sein könnte. „Dann, glaube ich, werde ich … für den Rest meines Lebens …“ Ihr e Stimme versagte. Sie konnte die Gefühle, die ihren Brustkorb einschnürten, nicht vertreiben. „Ich werde es bereuen, wenn ich für Sadie nicht das tun kann, was Jonathan für mich getan hat.“ Als sie fühlte, dass ihr eine Träne über die Wange lief, zwang sie sich, aufzuschauen. „Und das, was du für mich getan hast. Heute Abend.“
Er zog die Stirn in Falten und verriet ihr damit, dass er verstand, was sie meinte. Dieses Mal wandte er den Blick nicht ab, und sie war froh darum.
„Wie lange kennst du diese Frau schon?“
„Ich habe Sadie kennengelernt, als sie vor vier Jahren ins Bordell nach Willow Springs kam.“ Sie zögerte, da sie wusste, dass das für ihn besonders hart sein würde. „Sie war damals elf.“
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich und seine Miene verriet, dass er glaubte, er hätte sie falsch verstanden. Er schüttelte den Kopf. „Elf? Aber … das ist so alt wie …“
„Lilly.“ Sie beendete den Satz, den er nicht beenden konnte.
Unglaube. Abscheu. Mitleid. Wut. Alles zog nacheinander über sein Gesicht.
„Sadies Eltern kamen aus China hierher, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.“ Sie seufzte. „Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Sadie hat nie
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