Hoffnung am Horizont (German Edition)
viel darüber gesprochen. Eigentlich spricht sie grundsätzlich nicht viel. Aber ich weiß, dass ihre Eltern gestorben sind und dass sie völlig allein dastand.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist für ein junges Mädchen in dieser Gegend gar nicht gut.“
Matthew ließ den Kopf hängen und stützte ihn dann in seine Hände. Annabelle konnte das leise Stöhnen hören, das aus der Tiefe seiner Seele kam. Sie zog die Knie an, lehnte die Stirn daran und betete für Sadie. Sie betete, dass sie sie finden würde, sie betete für Matthew, der gerade eine weitere Einsicht in das Leben gewonnen hatte, das sie früher geführt hatte.
Das Knistern des Feuers war das Einzige, was in der Stille zu hören war.
Nach einigen Momenten stand er auf. Sie hob den Kopf. Seine aufgewühlten Gefühle standen ihm ins Gesicht geschrieben.
„Wir verlassen morgen Colorado und kommen nach Wyoming. Entlang der Union-Pacific-Eisenbahnlinie, die zwischen Cheyenne und Laramie verläuft, gibt es mehrere Orte.“ Er brach ab. „Hast du von einer bestimmten Stadt gehört, in die man sie gebracht haben könnte? Die dafür bekannt sein könnte, dass sie … ein solches Haus hat?“
Annabelle schüttelte den Kopf. „Sie können sie überallhin gebracht haben. Fast jede Stadt, auch wenn sie noch so klein ist, hat solche Häuser .“
Er blieb einen Moment lang still. „Wir finden sie“, flüsterte er, drehte sich dann um und ging am Wagen vorbei in die Dunkelheit hinein.
Annabelle wartete, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte, dann nahm sie ihre Decke und rollte sich seitlich zusammen – müde, dankbar und erfüllt mit einer unerklärlichen Hoffnung. Sie wartete mehrere Sekunden und hörte Matthews Bewegungen auf der anderen Seite des Lagers, das Wiehern der Pferde, gefolgt von dem leisen Murmeln seiner Stimme, als er mit ihnen sprach, bis es still wurde. Dann zog sie den Zettel, den sie aus dem Hinterzimmer des Saloons mitgenommen hatte, unter ihrem Rock hervor.
Sie betrachtete das Abbild von Matthew Taylor und sah nur eine vage Ähnlichkeit zwischen der Zeichnung und ihm. Wenn sein Name ihr nicht ins Auge gesprungen wäre, hätte sie das Bild völlig übersehen. Sie las die Anklagen, die ihm vorgeworfen wurden. Sie hätte Matthew nie für einen Glücksspieler gehalten. Andererseits war er offensichtlich auch keiner, wie der Steckbrief in ihrer Hand verriet. Wenigstens kein guter.
Ein wehmütiges Lächeln begleitete diesen Gedanken. Sie lächelte nicht wegen der Misere, in der er steckte, sondern wegen der Ähnlichkeiten zwischen ihnen beiden, die sie soeben entdeckt hatte. Sie liefen beide vor ihrer Vergangenheit davon. Das erklärte seine Verzweiflung, mit der er sich um diese Stelle beworben hatte, und möglicherweise auch seine Eile, Willow Springs zu verlassen … falls ihn dort jemand entdeckt hatte. Oder kurz davorgestanden hatte, ihn zu finden.
Sie knüllte das Papier zusammen und schob es ins Feuer hinein. Während die Ränder verkohlten und das Papier zu Asche zerfiel, kam ihr eine bittersüße Erkenntnis. Sie hatte Matthew in vielerlei Hinsicht falsch eingeschätzt. Aber sie war dankbar, dass sie sich geirrt hatte.
Matthew Taylor hatte trotzdem große Ähnlichkeit mit seinem älteren Bruder.
Kapitel 23
M atthew verlagerte sein Gewicht auf sein anderes Bein und sah über das Lagerfeuer hinweg zu ihr hin. „Was meinst du damit, dass du nicht reiten kannst?“
Als sie ihm keine Antwort gab, neigte er den Kopf und versuchte, ihren Blick zu erhaschen. Aber sie fügte weiter die Zutaten in die Schüssel, die sie auf ihrem Schoß stehen hatte, und war offenbar nicht bereit aufzublicken. Das fand er angesichts der angenehmen Atmosphäre, die sich in der letzten Woche zwischen ihnen entwickelt hatte, sonderbar.
Nach den giftigen Pfeilen, die bei ihren ersten Gesprächen in Willow Springs geflogen waren, hätte er das nie für möglich gehalten, aber sie kamen tatsächlich ziemlich gut miteinander aus. Er sah nun eine Seite von ihr, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Obwohl er immer noch nicht bereit war, ihr vollkommen zu vertrauen, hatte er angefangen, sich auf die Abende zu freuen, an denen sie miteinander aßen und sich unterhielten.
„Annabelle?“, fragte er vorsichtig nach.
Sie schob sich mit dem Handrücken eine Haarsträhne aus der Stirn und konzentrierte sich weiter auf ihre Arbeit. „Ich habe gesagt, dass ich es nicht kann. Das ist alles.“ Ihr Tonfall war locker, aber sie zuckte auf eine Art mit den Achseln,
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