HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
ihr die Morgenschokolade zu bringen. Die junge Frau warf einen Blick auf Emmas Gesicht und presste die schmalen Lippen zusammen. Gewöhnlich pflegte Sawyer heiter zu plaudern, heute jedoch wirkte sie gedrückt.
Als die Bedienstete ihr ein paar Momente später ein Kleid herauslegte, schüttelte Emma den Kopf. „Nein, Sawyer, nicht das dunkelblaue. Es ist zu würdevoll für einen so fröhlichen Anlass. Ich möchte etwas Helles und Freundliches – das Musselinkleid am besten.“ Die Zofe schaute sie fragend an, kam Emmas Wunsch indes gehorsam nach.
„Ja, das passt gut“, befand Emma. „Jetzt muss ich mich beeilen. Mrs. Mayhew und ihre Begleiterinnen wollen früh abreisen, und ich würde meine Pflichten als Gastgeberin sträflich vernachlässigen, wenn ich sie nicht verabschiede. Kümmere dich rasch um mein Haar, Sawyer.“
Stumm tat Sawyer, wie ihr geheißen, und steckte Emmas goldene Locken hoch. Schließlich brach sie ihr Schweigen und begann zögernd: „Miss Emma … da ist etwas, das … Major Stratton bat mich, Ihnen eine Nachricht zu überbringen. Er bittet Sie dringend um eine Unterredung. Er sagte, er wartet in der Bibliothek auf Sie.“
„ Major Stratton?“, fragte Emma erschrocken. „Du meinst sicher Mr . Stratton?“
„Nein, Miss Emma. Der Major war es. Mr. Stratton schläft noch – zumindest hat er seinen Diener bislang nicht gerufen. Der Major dagegen war ungewöhnlich früh auf den Beinen. Er ist ausgegangen und muss mehrere Stunden unterwegs gewesen sein. Gerade erst kam er zurück.“
„Ich verstehe.“ Einen Moment lang wusste Emma nicht, was sie tun sollte. Wäre die Bitte von Kit gekommen, wäre sie ihr sogleich nachgekommen, denn in ein paar Tagen würde er ihr Gemahl sein und sie müsste ihm gehorchen.
Aber Hugo? Was konnte er um diese Zeit wollen? Dringend, hatte er gesagt. Vielleicht beabsichtigte er, ihr Vorwürfe zu machen, weil sie seinen Bruder in eine Falle gelockt und ihn selbst beleidigt hatte. Nun, das sollte er versuchen. Sie war kein kleines Mädchen, das von einem Major Stratton gemaßregelt werden konnte wie ein Fähnrich, der unter seinem Befehl stand. Sie nicht. Sie würde sich wehren. Und wenn Major Stratton nur ein falsches Wort sagte, würde sie ihm ganz genau erklären, was sie von ihm hielt und von seinem nichtsnutzigen Bruder.
Erst jetzt begriff Emma, dass sie sich bereits entschieden hatte, Hugo entgegenzutreten – und seinem Zorn. Man konnte viel vorbringen gegen Emma Fitzwilliam, nicht jedoch, dass es ihr an Mut fehlte.
Emma knickste kurz, als sie die Bibliothek betrat. Die Tür ließ sie offen stehen. Major Stratton stand mit dem Rücken zum Schreibtisch und schaute gedankenverloren aus dem Fenster, doch bei ihrem Eintreten drehte er sich um. Erstaunlich leichtfüßig ging er zur Tür und schloss sie sorgsam.
„Wie können Sie es wagen, Sir?“, fragte sie verärgert. „Sie wissen, dass es unschicklich ist, wenn wir hinter verschlossener Tür allein sind. Oder glauben Sie vielleicht, weil der eine Stratton-Bruder mich kompromittiert hat, stünde dem anderen dasselbe Recht zu?“
Hugo erwiderte nichts, obwohl es ihr schien, als huschte etwas wie Schuldbewusstsein über sein Gesicht. Er ging zurück zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Ohne Emma direkt anzusehen, erkundigte er sich: „Genügt Ihnen das, Madam?“ Seine Stimme klang kühl und ausdruckslos.
Emma fragte sich, was nun kommen würde. Da sie die Fassung verloren hatte, war er ihr gegenüber im Vorteil, aber sie hatte sich fest vorgenommen, sich ihm in keiner Weise zu beugen. Sie ging zum Fenster, um möglichst großen Abstand zwischen sich und Hugo Stratton zu bringen.
Er unternahm keinen Versuch, sich ihr zu nähern, sondern stellte sich vor den Kamin. „Nun, da die Tür offen steht, Madam, sollten wir möglichst leise sprechen.“
Diesmal schnappte Emma nicht nach dem Köder. Sie drehte sich nicht einmal zu ihm um. Sie nickte nur leicht. Sollte er daraus schließen, was er wollte.
Schweigen breitete sich aus. Emma fürchtete schon, sie würde gleich schreien, wenn die Stille weiter anhielt. Der Verzweiflung nahe, begann sie: „Sie wollten mir etwas sagen, Major? Ich bitte Sie, das ohne weitere Verzögerungen zu tun, denn auf mich warten viele Verpflichtungen. Die meisten meiner Gäste reisen heute Morgen ab.“
Ihre Worte schienen ihm den Antrieb zu geben, den er brauchte. „Ja, ich weiß“, erwiderte er ruhig, „Und ich kenne den Grund dafür. Ich bedaure sehr, dass mein
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