HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
sagen, dass er kein glücklicher Mann ist, denn nun wird er sie nicht mehr bekommen, wer immer er sein mag. Und wenn ich jemals herausfinde, wer er ist, werde ich ihn mit bloßen Händen erwürgen. Er ist schuld an allem! Sie hielt mich für ihren Geliebten. Als ich sie berührte, warf sie sich mir geradezu in die Arme.“
Das war nicht die Szene, die Hugo gesehen hatte. Er hatte auf Kits Seite deutlich mehr Verführungskünste wahrgenommen. Emma war nicht …
Hugo holte tief Luft und bemühte sich, vernünftig zu denken. Er musste versuchen, die Dinge von Kits Standpunkt aus zu sehen, sonst würden sie aneinandergeraten. Andererseits …
Er sah seinen Bruder an. „Tatsächlich?“
Kit besaß immerhin genug Anstand, beschämt auszusehen. „Nun ja – vielleicht nicht ganz so. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was passiert ist. Im einen Moment stand ich neben ihr, und im nächsten lag sie in meinen Armen, und ich küsste sie. Ich konnte nicht anders, Hugo.“ Er sah jetzt wirklich verstört aus. „Ich wollte das nicht. Ehrlich nicht. Und dann tauchte diese boshafte kleine Mayhew auf und kreischte, als sei der Teufel persönlich hinter ihr her. Sie muss gesehen haben, dass ich in den Garten ging, und mir gefolgt sein.“ Auf Hugos überraschten Blick hin sagte er verächtlich: „Seit unserer Ankunft ist sie mir wie ein Hündchen nachgelaufen. Ich wünschte, ich hätte ihr deutlich gezeigt, dass ich nicht interessiert bin, als noch Zeit dafür war, aber ihr habt mich zu gut erzogen, du und John. Junge Damen müssen sanft behandelt werden, habt ihr immer gesagt. Sie mögen linkisch und dumm erscheinen, wenn sie indes freundlich behandelt werden, lernen sie dazu, habt ihr gesagt …“
„Kit …“
„Entschuldige, Hugo. Das war unfair.“ Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar, das bereits reichlich zerzaust war. „Ich habe mir diese Suppe eingebrockt, ich muss sie auch auslöffeln. Was für ein Elend!“
Hugo bemerkte, dass Kit ihm leidzutun begann, obwohl er Emma Schlimmes zugefügt hatte. Vermutlich spielten brüderliche Gefühle dabei eine Rolle, dennoch … sehr seltsam, das Ganze.
„Wenn sie mich wenigstens abweisen würde“, fuhr Kit verzweifelt fort. „Doch das wird sie nicht tun, dafür wird ihr Vater sorgen. Er besteht sogar auf einer Ausnahmegenehmigung. Was für ein Elend!“
„Das sagtest du schon“, erwiderte Hugo, der seinen Ärger diesmal nicht verhehlen konnte. „Die Anzeige wird morgen erscheinen?“
„Ja“, erwiderte Kit, „ehe die Mayhews abreisen. Sir Edward will Mrs. Mayhew davor warnen, bösartige Gerüchte zu verbreiten, da die Verlobung seiner Tochter unmittelbar bevorsteht. Es wird ihm Genugtuung bereiten, ihr das mitzuteilen, denke ich.“
„Natürlich“, stimmte Hugo zu. „Ansonsten kann er bei dieser Affäre wenig zufrieden sein.“
„Ich habe mich bereits bei ihm entschuldigt“, erklärte Kit würdevoll. „Und sobald sich die Gelegenheit bietet, werde ich mich auch bei Emma entschuldigen. Ich verspreche dir, dass ich mein Bestes tun werde, um ihr ein guter Ehemann zu sein.“
„Ich denke, das solltest du lieber Emma versprechen statt mir. Hast du mit ihr geredet?“
„Noch nicht. Ich werde es morgen tun, denke ich. Ach, wenn Sir Edward bloß nicht darauf bestehen würde, dass wir so schnell vor den Traualtar treten. Wir könnten uns verloben, und nach ein paar Monaten, wenn das Gerede vergessen ist, könnte Emma erklären, sie hätte sich dagegen entschieden. Dann wären wir beide frei.“
Kits Worte überraschten Hugo. Natürlich, er hatte recht. In seinen ziellosen Überlegungen war er auf die einzige Lösung gestoßen, die Emma vor einer katastrophalen Ehe bewahren würde. Aber jemand müsste Sir Edward davon überzeugen – und Emma ebenfalls.
Hugo sah seinen Bruder an. „Wenn du möchtest, Kit, werde ich Sir Edward diesen Vorschlag unterbreiten. Gleich jetzt.“
„Hugo …“ Ein Funken Hoffnung glomm in Kits Augen auf und erlosch sogleich wieder. „Nein, das würde niemals funktionieren. Der alte Mann ist zu aufgebracht, um dir oder sonst jemandem zuzuhören. Er hat den Hochzeitstermin für nächste Woche angesetzt.“
Hugo holte tief Luft. „Wenn Sir Edward derart entschlossen ist, wie du sagst, bleibt uns nur eine Wahl. Ich werde Emma deinen Plan unterbreiten.“
12. KAPITEL
Ungeduldig riss Emma die Bettvorhänge zurück, um das Morgenlicht hereinzulassen. Sie hatte kaum geschlafen, und ihr war klar, dass sie schrecklich aussehen
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