HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
dem gewiss nicht zustimmen, sondern vermutlich darüber lachen. Ihm entstand aus dieser Geschichte kein Schaden. Die gute Gesellschaft würde ihn weiter empfangen, als wäre nichts geschehen.
Und wenn er einverstanden war? Wenn ihr Vater Kit Stratton als ihren zukünftigen Ehemann präsentierte? Was sollte sie tun? Sie liebte ihn nicht, und sie vertraute ihm nicht. Sie war sicher, dass er ihr nicht treu sein würde. Er würde ihre Mitgift verspielen. Und wenn man ihn in diese Ehe drängte, dann hätte er nicht den geringsten Grund, freundlich zu ihr zu sein.
Eine solche Zukunft wäre trostlos. Aber würde sie die Alternative ertragen können?
Hugo stand an seinem Schlafzimmerfenster und starrte in den Nachthimmel, als Kit endlich erschien.
Hugo warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder hinaus in die Dunkelheit. Kits Spiegelbild war in den Scheiben zu erkennen. Er sah aus wie ein Mann, der eine schlimme Nacht am Spieltisch verbracht hatte.
Kit sank auf einen Stuhl neben dem kalten Kamin und ließ den Kopf hängen. Nach einer Weile brach er das Schweigen. „Du hast mir nichts zu sagen, Bruderherz?“
Hugo schüttelte den Kopf. „Ich bin sicher, dass Sir Edward das bereits getan hat.“ Er glaubte, sich gut unter Kontrolle zu haben, hielt es indes trotzdem für das Beste, so wenig wie möglich zu äußern. Kit musste nicht erfahren, was er gesehen hatte – und auch nicht, was er für Emma Fitzwilliam empfand. Das würde alles nur schlimmer machen.
Kit sprang wieder auf und begann, hin und her zu wandern. „Da hast du recht, Bruderherz“, versetzte er wütend. „Sir Edward hat mir meine sämtlichen Verfehlungen dargelegt. Dass ich mir einer unschuldigen jungen Dame gegenüber Freiheiten herausgenommen habe, während ich als Gast in seinem Haus weilte. Dass ich ihren Ruf ruiniert habe. Und vor allem, was er von meiner Moral hält.“ Er lachte rau.
„Dennoch“, fuhr er sarkastisch fort, „trotz meiner moralischen Mängel würde ich den perfekten Gemahl für seine einzige Tochter abgeben – und zwar je eher, desto besser. Die Anzeige unserer bevorstehenden Hochzeit wird morgen in der Gazette erscheinen – ich war überrascht, dass er nicht auf der Stelle einen reitenden Boten losgeschickt hat.“
Hugo sagte noch immer nichts. Er konnte es nicht. Er hatte sich halb vom Fenster abgewandt, brachte es jedoch nicht fertig, seinem Bruder ins Gesicht zu sehen. Kit würde Emma heiraten! Und er liebte sie nicht im Geringsten. Für die erzwungene Ehe würde er seine Gemahlin vermutlich bald hassen und ihr die Schuld daran geben. Das Beste, worauf sie hoffen konnte, war Gleichgültigkeit – doch das stand nicht zu erwarten. Kit würde es ihr verübeln, dass er seine Freiheit verloren hatte. Nein, diese Verbindung würde zu einer lebenslangen Qual werden.
Kit unterbrach seine Wanderung und starrte in den Kamin. Mit dem Rücken zu Hugo fragte er: „Willst du nicht wissen, wie es zu all dem kommen konnte?“
„Mmm?“ Hugo hoffte, dass sich das ermutigend anhörte.
Ohne sich umzudrehen, erklärte Kit tonlos: „Ich war nach draußen gegangen, um zu rauchen. Dann sah ich Miss Fitzwilliam – vielmehr Emma, wie ich sie jetzt wohl nennen darf – kommen. Du wirst es nicht bemerkt haben, Hugo, aber dieser Garten ist voller Winkel hinter hohen Hecken. Absolut perfekt als Liebesversteck.“ Kit schnaubte, ob vor Ärger oder Abscheu, vermochte Hugo nicht zu beurteilen. Er zwang sich, still zu bleiben.
„Ich hätte ihr nicht folgen dürfen, das weiß ich, doch ich war neugierig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so ein Muster an Tugendhaftigkeit sich heimlich mit einem der Gäste traf. Gleichwohl muss sie …“
Hugo biss sich auf die Lippe, um nicht lauthals „Lügner!“ zu rufen. Er hatte sie mit eigenen Augen gesehen. Sie hatte sich an der Schönheit des Gartens erfreut, sonst nichts. Sie hätte sich niemals zu einem Rendezvous herabgelassen, wie Kit es sich dachte.
„Sie muss es vorgehabt haben“, betonte Kit noch einmal. „Sie saß allein auf der Bank, das gebe ich zu, ihr Gesicht indes drückte ein solches Verlangen aus … Und wenn ihr Antlitz vor Leidenschaft glüht, dann ist sie die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.“ Es lag etwas wie Verwunderung in seiner Stimme. „Auf wen sie auch gewartet haben mag, er muss ein glücklicher Mann sein, wenn er eine solche Sehnsucht wecken kann.“
Plötzlich drehte Kit sich zu ihm um. Er lachte, dumpf und voller Hass. „Ich sollte besser
Weitere Kostenlose Bücher