Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
– so wie auch ich – als recht sanften Mann mit der Neigung zu unzusammenhängenden Abschweifungen, die man auch als Hinweis auf sein poetisches Genie hätte deuten können, man weiß ja nie.
Später in der Nacht träume ich von Robert. Er ist außer sich, weil er eben einen Artikel gelesen hat, in dem er als Foltermörder beschrieben wird, während er in Wahrheit nie jemanden gefoltert hat. »Ich habe doch ihre Körper erst zerhackt, als sie schon tot waren«, insistiert er immer wieder. Nachdem ich aus diesem Traum aufgewacht bin, erinnere ich mich, dass Robert sich immer wieder in solchen Hetzreden erging, wenn er mir auseinandersetzte, wie die Medien ständig falsche Tatsachen präsentierten.
Im Gefängnis habe ich weder geträumt, noch bin ich jemals schweißgebadet aufgewacht. Allem diesem Gold und Weiß hier haftet etwas Unwirkliches an. Ich gehöre hier genauso wenig her, wie ich in das Gefängnis gehörte. Ich will mein altes Leben zurück, so einfach und unglamourös es gewesen sein mag. Ich beschließe, gleich am Morgen das Taxiunternehmen anzurufen und mich zu erkundigen, ob ich wieder dort arbeiten kann. Ich könnte ja auch ein Taxifahrer mit zwei Millionen Dollar sein.
Den Großteil der Nacht liege ich wach im Bett und höre dem Summen der Klimaanlage zu. Als ich das Reinigungspersonal im Flur höre, beschließe ich, aufzustehen. Das sind hier im Plaza-Hotel die Officers, mit ihren Wagen voller Waschutensilien und Ersatzseifen. Diese Gefährte werden übrigens von derselben Firma hergestellt, die auch die Dinner-Karren der Gefängniswärter produziert. Das ist mir gestern bei meiner Rückkehr vom langen Marsch aufgefallen. Ich frage mich, ob auch die Uniformen vom selben Unternehmen geschneidert werden.
Meine Füße sind dermaßen von Blasen übersät, dass sie aussehen, als würden kleine Papierzettelchen daran runterhängen. Was ist mir da bloß eingefallen? Brock hat mir angeboten, mich zu fahren. Wahrscheinlich wollte ich mich bloß wieder daran gewöhnen, dass ich frei und ungezwungen herumgehen konnte, wie ich wollte; vielleicht wollte ich mich am Hören und Sehen und Riechen der Dinge rund um mich erfreuen? Die Kanalausdünstungen aus dem Trinity River waren wunderbar, weil ich sie den Tag zuvor nicht gerochen hatte und wahrscheinlich auch morgen nicht riechen werde. Hier draußen dürfen sich die Tage voneinander unterscheiden.
Wenn du essen wolltest, musstest du von der Pritsche aufstehen. Das Frühstück war dein Wecker. Bist du nach zweimaligem Anrufen nicht aufgestanden, bist du hungrig geblieben. Wenn Evans das Frühstück brachte, sagte er jedes Mal »die wichtigste Mahlzeit des Tages«, während er das Tablett durch den Schlitz schob. Ich hätte einen Zimmer-Service mit der Bitte bestellen sollen, dass sie diesen Satz zu mir sagen.
Bekomme ich Heimweh nach dem Todestrakt?
Das Büro von Brock ist ein Eckzimmer mit zweieinhalb Meter hohen Panoramafenstern mit Blick über die City von Dallas bis hin zum Horizont. Weiter weg sehe ich Flugzeuge auf ihrem Weg nach Dallas/Fort Worth, wie sie in regelmäßigen Abständen voneinander ihren Landevorgaben folgen. Sein luxuriöses Büro ist zur Gänze in Sonnenlicht getaucht.
Brock grüßt mich und schüttelt mir lächelnd die Hand, seine intelligenten, durchdringenden Augen registrieren meinen Sonnenbrand und mein Hinken. Obwohl er sich wundert, was ich da wohl angestellt habe, fragt er nicht danach.
»Erkennen Sie diese Mädchen?«, fragt er mich, ehe ich noch Platz genommen habe. Auf seinem Schreibtisch liegen die Fotos zweier junger Frauen, die ich auch aus einer Entfernung von einigen Metern sofort wiedererkenne.
»Das sind die Mädels, die ich damals in meinem Wagen mitgenommen habe. Das ist die, die sich übergeben hat, und das ist ihre Freundin.«
»Es hat meinen Detektiv zwanzig Minuten gekostet, sie zu finden«, sagt Brock. Er deutet auf einen Sessel, und ich nehme Platz; er zieht seinen Sessel an meinen heran. »Mit Nachnamen heißen sie Kelly, und zwar beide. Megan Kelly und Liz Kelly. Sie sind nicht miteinander verwandt. Sie nennen einander Kelly, nur so zum Scherz. Deshalb hat Ihr Anwalt sie auch nicht gefunden. Er hat die Liste der Studentenheimbewohnerinnen einfach nach Mädchen mit Vornamen Kelly durchsucht.«
»Wie hat Ihr Detektiv sie gefunden?«
»Glücklicherweise sind sie noch immer im selben Heim. Er ging in die Cafeteria, hielt einen Hundertdollarschein hoch und versprach ihn derjenigen, die ihm die beste
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