Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
uniformierten Hoteldiener geöffnet, ehe ich Zeit finde, nach dem Türgriff zu greifen. Ich nicke ihm dankend zu, er aber wartet nur in steifer Haltung, bis ich eingestiegen bin, damit er die Tür schließen kann, als ob ich selbst dazu nicht imstande wäre. Ob er diesen Job gerne macht? Muss schwer sein, Erfüllung darin zu finden, etwas zu tun, was jeder Mensch mit funktionierenden Gliedern ganz leicht selbst tun kann. Aber vielleicht geht es ja gerade darum: Die Leute sollen denken, dass nur ein ganz besonders tolles Hotel es sich leisten kann, einen Service anzubieten, den kein Mensch wirklich braucht.
Der einzige andere Ort, an dem du die Türen nie selbst aufmachst, ist das Gefängnis.
»Wohin fahren wir?«, fragt der Fahrer mit schwerem Akzent. Er ist Afrikaner, wahrscheinlich Sudanese. Ich erinnere mich, dass wir kurz vor meiner Verhaftung bei Dillon eine Menge Sudanesen aufgenommen haben. Die hatten diese typische Immigrantenmentalität, für Bargeld haben die alles getan, sogar Fahrgastaufnahmen in South Dallas um zwei Uhr nachts. Für die meisten dieser Jungs, die aus irgendwelchen Kriegshöllen kommen, ist South Dallas um zwei Uhr nachts ein gemütlicher Landspaziergang. Wenn auf die geschossen wird, weil sie vor Räubern fliehen, machen sie sich nicht mal die Mühe, den Vorfall der Polizei zu melden. Schließlich können sie die Zeit, die sie zum Ausfüllen der Formulare in der Polizeidienststelle benötigen, besser mit Geldverdienen nützen.
»Kennen Sie die Dillon Cab Company in Winchester drüben?«
»Ja, ja«, nickt er zustimmend. »Ich hap Arbeit do.«
»Echt wahr? Sie haben für Dillon gearbeitet?« Ich sehe ihn mir durch die schusssichere Plexiglastrennwand an und versuche mich an meine Kollegen zu erinnern. Dillon hatte mehr als hundert Fahrer, und ohne jetzt rassistisch sein zu wollen, aber die sudanesischen Jungs haben einander wirklich sehr ähnlich gesehen. Ihre Haut hatte die Farbe von gerösteten Kastanien, sie waren durchwegs groß, schlank und rank und hatten immer denselben Gesichtsausdruck – eine Mischung aus wilder Entschlossenheit und uneingeschränkter Aufmerksamkeit, als müssten sie ihr Geld jetzt sofort auf der Stelle verdienen, weil jeden Augenblick maskierte Gangster zur Tür reinstürmen könnten. Ich schaue mir den Mann genauer an und kann mir vorstellen, ihn schon mal gesehen zu haben. »Wann haben Sie dort gearbeitet?«
»Letztes Jahr. Genau zu der Zeit, als sie einen von uns verhaften, den Fahrer, der Mädchen entführt.«
Hoppla! Ich bin inzwischen eine Legende unter Taxifahrern geworden. »Der Fahrer hat sie nicht entführt«, sage ich, während er auf den Highway rausfährt. Ich stelle fest, dass ich jetzt auch mit einem afrikanischen Akzent spreche. »Jemand anderer getan. Den Fahrer haben sie irrtümlich verhaftet.«
»Ja, ja«, stimmt er mir zu, und ich bin gar nicht mal sicher, ob er überhaupt verstanden hat, was ich gesagt habe. Vielleicht will er auch nur das Thema wechseln. Mir gefällt die Tatsache, dass er mich erwähnt hat, ohne zu wissen, dass ich in seinem Wagen sitze. Ich beschließe, ein wenig mit ihm zu spielen.
»Haben Sie den Mann gekannt? Den Fahrer, den sie verhaftet haben?«
»Ja, sehen. Aber dann nicht gut mein Englisch.« Ich nicke, aber er ist noch nicht fertig. »Dann Polizei kommen. Jeden Tag, jeden Tag. Sie sprechen mit uns, jeden von uns. Sie fragen über ihn.«
Ich kann mir denken, dass meine Verhaftung ein Riesending war. Ich stelle mir vor, wie sich Donnie, der Disponent, gefreut hat, als man seine Fahrer der Reihe nach von der Straße holte, um sie über mich zu befragen. Und ich hoffe, er macht nicht mich dafür verantwortlich, wenn ich mich melde, um meinen Job zurückzubekommen.
»Was hat man euch gefragt?«
»Ob wir ihn kennen, ob wir ihn Böses tun sehen, ob wir ihn mit, wissen schon, Mädchen sehen.« Ich nicke. Verdammt nochmal, diese Bullen haben genug Zeit, hundert Männer zu befragen, ob ich ein Perverser bin, aber zur Überprüfung meines Alibis haben ihnen offenbar die Ressourcen gefehlt. Dieser Umstand könnte sich recht gut auf mein Entschädigungsverfahren auswirken. »Warum du gehst zu Dillon?«, fragt er. »Du der Eigentümer?«
Ich lache und beschließe, ihn aufzuklären. »Ich bin der Mann«, sage ich, und als ich das sage, steigt in mir die gespenstische Erinnerung an den Tag meiner Verhaftung hoch, als die Polizisten rund um die Parkgarage standen und Inspektor Dave fragten, ob ich der Mann sei. Ist das
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