Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
Vom Netzwerk:
Schulter. »Das Blatt hat sich gewendet. Und jetzt holen wir uns Ihre Brieftasche.«
    Brock fährt einen brandneuen Mercedes mit Lederausstattung. Ich bin beeindruckt von der komfortablen Limousine. Wie sehr sich die Ledersitze von den Vinylsitzen der Gefängnis-Vans unterscheiden, genauso wie das Bett, in dem ich die letzte Nacht verbracht habe, sich von der Knastpritsche unterschieden hat. Alles in der Welt gibt es in zwei Ausführungen, eine für die Reichen und eine für den Rest. Nimm irgendeinen Begriff, und den Reichen gehört das bessere Ende davon. Mein Begriff des Tages ist »Gesetz.«
    Wir fahren rüber zum Kommissariat nach Westboro, und während sich Brock um den Papierkram und einige offene Fragen kümmert, sehe ich mich um. Ich wurde durch diesen Raum geführt, als ich mich nackt ausziehen musste und sie die Tür offen ließen. Während ich hier stehe, bringen zwei Polizisten einen verschwitzten jungen Mann in Handschellen herein. Ich lächle ihn freundlich an, während sie ihn in den Striptease-Raum schubsen. Ich weiß, wie gottverlassen du dich fühlst, wenn dich die Bullen in Handschellen herumführen. Der Mann blickt schnell weg.
    Bei ihm schließen sie wenigstens die Tür.
    Brock kommt mit einem Stapel zusammengelegter Kleidungsstücke zurück. Das sind die Sachen, die ich am Tag meiner Verhaftung getragen habe. Bluejeans, ein graues T-Shirt, darüber ein Flanellhemd. Cool, jetzt muss ich nicht mehr Clarences Anzug tragen. Er übergibt mir mein Handy und meine Brieftasche mit den Karten drin, die inzwischen längst abgelaufen sind oder gekündigt wurden, dazu dreiundvierzig Dollar.
    Mit dreiundvierzig Dollar in der Tasche kann ich mich wieder als echte Person empfinden. Wenn ich wollte, könnte ich mich mit Charlie White in einer Bar treffen. Ich sollte ihn anrufen. Zunächst muss ich mein Mobiltelefon wieder freischalten lassen, immerhin habe ich zehn Monate lang die Gebühren nicht bezahlt. Auch die Batterie muss aufgeladen werden. Dazu brauche ich mein Ladegerät, das sich in meinem Apartment befindet, das allerdings ausgeräumt und an jemand anderen vermietet wurde. Mein Handy kann ich also vorläufig bestenfalls als Briefbeschwerer benutzen. Ich muss mir ein Ladegerät kaufen, und dazu muss ich vorher zur Bank, um das dafür nötige Geld abzuheben. Gar nicht einfach, Charlie White anzurufen, um mich mit ihm auf ein Bier zu verabreden. Noch stehe ich nicht wieder auf eigenen Beinen.
    Ein scharfer, stechender Schmerz schießt mir im Unterleib ein, und Brock sieht mich besorgt an. Ich erzähle ihm von der Blinddarmoperation im Gefängnis.
    »Soll ich sie irgendwo hinbringen?«, fragt er, besorgt um meine Gesundheit oder seine Million.
    »Ich glaube, ich gehe einfach zurück ins Hotel«, sage ich. »Wie lange kann ich dort noch bleiben?«
    »Es kostet 285 Dollar die Nacht«, sagt er. »Wenn wir für Sie die zwei Millionen Dollar rausholen, können Sie dort so ungefähr …«, er zwinkert mir lachend zu, während er im Kopf nachrechnet, »… neunzehn Jahre bleiben. Wie wär’s mit einer oder zwei Wochen? Entspannen Sie sich, klinken Sie sich wieder ein ins pulsierende Leben. Wir müssen allerhand besprechen miteinander, also rufen Sie doch bitte in meinem Büro an und machen Sie für nächste Woche einen Termin aus.«
    Ich nicke und erkläre ihm, dass ich zu Fuß zurückgehen möchte. Als er mir mitteilt, dass es über zehn Meilen sind, zucke ich nur mit den Schultern. »Finden Sie den Weg?«, fragt er, jetzt offenbar auch um meine geistige Gesundheit besorgt. Ich nehme an, dass er sich vorstellt, wie ich mich vor einen Zug werfe oder auf halbem Wege zum Hotel von einer Brücke springe. Meine mangelnde Begeisterung über die wiedererlangte Freiheit scheint ihn zu enttäuschen.
    »Aber klar«, antworte ich. »Ich bin Taxifahrer.«
     
    Nach wenigen Minuten Fußmarsch unter der Sonne von Dallas wird mir klar, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ein Marsch durch die Mojave-Wüste zurück zum Hotel wäre einfacher gewesen, zumal die Mojave-Wüste nicht vom Malcolm X Boulevard durchquert wird. Cesar Chavez Parkway, Martin Luther King Boulevard, Malcolm X Boulevard. Stadtviertel und Straßen, die nach Leuten benannt sind, die die Wahrheit gesagt haben, sollte man besser meiden. Die nach Lügnern und Dieben benannten Gegenden sind in der Regel um einiges komfortabler.
    Je weiter ich Westboro und seine baumgesäumten Straßen zurücklasse, desto schäbiger erscheinen die Gebäude, an denen ich

Weitere Kostenlose Bücher