Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
berichten die Nachrichtenleute, als seine Gefangene gehalten. Er hatte die Farm ein Jahr zuvor geerbt und als Kerker ausgebaut. An den Wänden waren Ketten befestigt, und man hat Sarg-ähnliche Kisten und eine Menge Handschellen und Sicherungsgeräte gefunden. Eine nach den Worten der Reporter »schreckliche«, »schockierende«, »albtraumhafte« Szenerie. Im Grunde ist es mir ganz ähnlich ergangen, obwohl mein Name in dem Bericht überhaupt nicht erwähnt wird. Sie zeigen zahlreiche Fotos des Mädchens – wie es am Strand Volleyball spielt, wie es einen Hund umarmt, mit Freunden in einem Park. Ich bin nicht annähernd so fotogen.
Die Journalisten tun so, als hätte die Polizei von Anfang an gewusst, dass Brightwell der Täter ist, und niemals aufgegeben, nach dem Mädchen zu suchen. Die Polizei war kompetent und heldenhaft. Sie haben eine Weile gebraucht, aber das Verbrechen aufgeklärt, und allen Beteiligten geht es ganz ausgezeichnet!
Allen geht es ausgezeichnet, außer dem Mädchen, das im letzten Jahr wahrscheinlich täglich vergewaltigt und misshandelt wurde, und mir, der fast ein Jahr lang bespuckt, angekettet, geschlagen und in einem Kasten eingesperrt wurde. Freut mich, zu hören, wie phantastisch alles ist.
Diese Nachrichten haben den analytischen Gehalt einer Urlaubspostkarte. Ich wechsle den Kanal und gucke eine Sitcom über zwei Typen, die in einem Baumarkt arbeiten, wobei sich sämtliche Lacher dem Gleichklang der Worte »kitten« und »ficken« zu verdanken scheinen. Während ich langsam in den Schlaf hinüberdämmere, sucht eine junge Hausfrau gerade verzweifelt nach Material, um ihre Fenster zu kitten.
Kapitel zwölf
Ich darf mein Hotelzimmer verlassen, wann immer ich will. Für die meisten Menschen im Hotel ist das eine Selbstverständlichkeit, ich habe drei Tage benötigt, um das voll zu kapieren. Inzwischen bin ich nicht mehr überrascht, wenn sich die Tür öffnet, nachdem ich den Türknauf gedreht habe, dass am Gang draußen niemand mit einem Schlagstock und einem Taser auf mich wartet, um mich zurückzujagen, dass ich ohne Begleitung einfach nur in Richtung Lift gehen kann. In gewisser Weise finde ich das furchterregend, zumal es mich zwingt, Entscheidungen zu treffen. Wann gehe ich weg, wo gehe ich hin, und was mache ich, wenn ich dort bin? Was passiert, wenn ich mich falsch entscheide?
Rechtsbrecher, die auf Bewährung freigelassen werden, können mit unterschiedlichen Beratungen und Unterstützungen rechnen, die ihnen helfen, ins normale Leben zurückzufinden. Ich als irrtümlich Eingesperrter bekomme nichts dergleichen. Und mein Unterleib schmerzt auch schon wieder. Wäre ich auf Bewährung draußen, würde mir das Justizsystem einen Arztbesuch bezahlen. Derartige Vergünstigungen sind für einen gerade freigelassenen Unschuldigen nicht vorgesehen.
Während ich, über diese Dinge nachdenkend, im Eingang zu meinem Zimmer stehe, öffnet sich die Aufzugstür, und heraus kommt die Stewardess, meine nächtliche Begegnung von letzthin. Als sie mich hier stehen sieht, meinen Blick zum Aufzug gerichtet, tut sie so, als hätte sie etwas vergessen, und macht kehrt. Sie steigt wieder in den Aufzug ein und verschwindet.
Ich erschrecke diese Frau wahrhaftig bis auf die Knochen. Höchste Zeit, dass ich aufhöre, im Türrahmen zu stehen, dass ich irgendwohin gehe und irgendwas tue. Ich atme tief ein, klopfe mir auf die Hosentasche, um zu prüfen, ob ich meine Schlüsselkarte dabeihabe, und gehe in den Flur raus. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss.
In der Lobby sehe ich die Stewardess mit einem Mann an der Rezeption sprechen. Wahrscheinlich bittet sie um ein Zimmer auf einer anderen Etage, möglichst weit weg von dem unheimlichen Typen, der in Unterhosen in seiner Tür steht und die Leute Tag und Nacht auf ihrem Weg von und zu den Zimmern beobachtet. Vielleicht sollte ich versuchen, die Situation zu erklären – es ist alles okay, Baby, sehen Sie, ich bin gerade aus der Todeszelle entlassen worden und gewöhne mich langsam daran, dass es möglich ist, die Tür zu öffnen. Das müsste sie doch beruhigen. Zum ersten Mal, seit ich draußen bin, muss ich herzhaft lachen.
Ich hoffe, sie geben ihr ein anderes Zimmer. Ich will sie nicht mehr sehen. Wenn ich in den Flur hinausstarre, will ich eine Reihe geschlossener Türen sehen, so wie im Todestrakt.
Ich trete vors Haus auf die Zufahrtsrampe, da schießt schon ein Taxi heran, bevor ich ihm winken kann, und die Tür wird mir von einem
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