Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
der Mann? Ist er das? Damals war ich der Mann nicht, heute bin ich definitiv der Mann. »Ich bin Jeff Sutton, bin grade aus dem Knast gekommen, und zu Dillon bin ich unterwegs, weil ich meinen Job zurückwill.«
Er wirft mir einen Blick durch das Plexiglas zu und richtet seine Aufmerksamkeit gleich wieder auf den Verkehr. »Scheiße«, stößt er aus. »Sie wollen dich nicht zurück.«
Dies erscheint mir grob und negativ, ist aber vielleicht kulturell bedingt. Sudanesische Direktheit. Ich wäre vorher nie auf die Idee gekommen, dass er mit seiner Aussage recht haben könnte. Wenn ich an die Kumpels in der Taxi-Garage dachte, wie sie über meine Schuld oder Unschuld diskutierten, hatte ich mir nie vorgestellt, dass das mehr als typischer Firmenklatsch war. Wenn ich jetzt die Details der Befragungen höre, kommt mir der Gedanke, dass die Leute dort wegen mir allerhand Unangenehmes erlebt haben könnten. Etliche mussten wahrscheinlich ihre Vorstrafenregister rausrücken und langwierige Befragungen über sich ergehen lassen. Und für diejenigen, die mich wirklich gern hatten, war es wahrscheinlich ärgerlich, wenn man ihr Urteilsvermögen in Frage stellte. Schon möglich, dass die Leute an all das heute nicht mehr erinnert werden möchten.
Die restliche Fahrt über reden wir nicht mehr. Ich lehne mich in den schwarzen Vinylsitzen zurück und versuche, nicht an die persönliche Hygiene der Menschen zu denken, die vor mir in diesen Sitzen gesessen haben. Aus Erfahrung weiß ich, dass sich in diesen Fahrgastabteilen so manche kleinen Geheimnisse verbergen – ein vom Finger geschüttelter Popel, Kaugummi, vielleicht ein benutztes Kleenex, das hinter die Sitzlehne oder unter die Bank geschoben wurde. Fragt sich nur, wie oft dieser Mann sein Auto mit dem Dampfreiniger behandelt.
Wir bleiben vor Taxi Dillon stehen, und der Fahrer, dessen Name aus einer beliebigen Ansammlung von Buchstaben besteht, dreht sich um, um mir ins Gesicht zu schauen. »Viel Glück«, sagt er und meint es ehrlich, auch wenn er einen durchaus zweifelnden Gesichtsausdruck hat.
»Fahr nicht zu weit weg«, ermahne ich ihn, während ich ihm eine Zwanzigdollarnote durch den Schlitz schiebe. Er hat mich mit seinem Pessimismus angesteckt. »Möglicherweise brauche ich in ein paar Minuten eine Fahrt zurück.«
Als Erstes erinnere ich mich an den Geruch hier – ein kaltes, hartnäckiges Stahl-Aroma, das sich wie ein kläffender Hund auf dich wirft. Der Geruch kommt in Begleitung seines typischen Geräuschs daher, dem Schlagen von Stahlteilen, das von den Betonwänden zurückgeworfen wird und die menschlichen Stimmen ebenso überdröhnt wie die Salsamusik der Mechaniker. Ich sehe keine bekannten Gesichter, während ich an beschädigten und ausrangierten Taxis vorbei zum Büro gehe, einem chaotischen Geviert, das vom Rest der Garage mit Maschendrahtzaun abgetrennt ist.
Denise blickt hoch, als ich eintrete. In ihrem Gesicht spiegeln sich eher Schock und Überraschung als Freude. »Jeff!«, ruft sie und springt von ihrem Stuhl auf, um mich zu umarmen. Das ist insofern eine etwas ungewöhnliche Reaktion, als unsere Beziehung sich auf das nüchterne Verhältnis zwischen einem Fahrer und einer Disponentin beschränkt hatte. Die Umarmung tut mir dennoch gut, ich genieße den warmen, satten Geruch ihres Parfums und die Weichheit ihres Körpers. Seit fast einem Jahr bin ich keiner Frau so nahe gewesen, und ich lasse lieber los, bevor ich anfange, sie zu befummeln.
Sie tritt zurück und tätschelt meinen flachen Bauch. »Na schau dich mal einer an«, sagt sie. »Hast wohl viel trainiert, oder was?« Zehn Monate ungenießbares Essen und der nahezu tödliche Stress sind meinem Aussehen offenbar zuträglich gewesen. Ich lächle, und sie lächelt so unsicher zurück, als wäre ich noch immer in der Todeszelle. Obwohl ich vier Jahre mit ihr zusammengearbeitet habe, schaue ich sie jetzt zum ersten Mal wirklich an – und siehe da: eine hübsche Frau! Aber vielleicht sind das nur die Auswirkungen zehn frauenloser Monate im Knast.
»Ich hol mal Donnie«, sagt sie und eilt zurück in den hinteren Raum. Ich höre ein paar Sekunden lang Wispern, dann schiebt Donnie seinen Kopf um die Ecke.
»Das gibt’s doch gar nicht. Jeff Sutton. Wer hätte gedacht, dass du hier nochmal auftauchst.« Donnie streckt seine riesigen, fleischigen Pranken aus und drückt meine Hand so gewaltig, dass der Verdacht einer Überkompensierung für was auch immer naheliegt. Es hat ja immer
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