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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
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mir und Denise sind nur noch zwei Mexikaner hier, die drüben im Maschinenraum einen Reifen wechseln. »Haben alle Fahrer, die damals hier gearbeitet haben, Charlie und die anderen, habt ihr alle geglaubt, dass ich das getan habe?«
    Stille. Denise, die uns vom Disponententisch aus zugehört hat, steckt ihren Kopf um die Ecke. »Ich nicht«, sagt sie.
    »Doch, hast du«, sagt Donnie.
    »Auf keinen Fall!« Die beiden scheinen erleichtert, dass sie ihre Aufmerksamkeit jetzt einander zuwenden, und nicht mehr mir. Das bestärkt meine Vermutung, dass man in der Bude zur allgemeinen Einschätzung gekommen ist, ich sei tatsächlich ein Kindesentführer. Während ich in der Zelle saß, habe ich mir oft vorgestellt, wie meine Kollegen über meine Schuld diskutieren und wie sich nach einer sachlichen Diskussion letzten Endes die Fraktion durchsetzt, die für meine Unschuld plädiert. In meiner Vorstellung war mein treuer Kumpel Charlie White der Anführer dieser Fraktion.
    »Charlie sagte, er weiß, dass du schuldig bist«, sagt Denise. »Er sagte, er habe immer gewusst, dass mit dir was nicht ganz in Ordnung sei, und dies sei auch der Grund dafür, dass du keine Freundin hast.« Donnie wirft ihr einen zustimmenden Blick zu, dankbar, dass sie das Gespräch auf einen abwesenden Dritten gelenkt hat, der sich nicht verteidigen kann. »Ich hab ihm geantwortet, dass er sich irrt. Dass du ein netter Typ bist.«
    »Du sagtest, er sei der einzige Fahrer gewesen, der niemals versucht hat, dir an den Arsch zu fassen«, sagt Donnie. »Und dass dies der Beweis dafür sei, dass mit ihm was nicht stimmt.«
    »Nein, das hab ich nicht gesagt!«, ruft Denise peinlich berührt aus. Sie sieht mich an. »Das hab ich ganz sicher nicht gemeint! Ich sagte, das sei so, weil du eben ein netter Typ bist.« Sie blickt wieder Donnie an und schlägt ihm spielerisch die Papiere, die sie in der Hand hält, an den Kopf.
    Donnie rollt mit den Augen. Er ist froh, dass das Gespräch eine Wendung ins Scherzhafte genommen hat. Sein Hemd scheint ihn jetzt nicht mehr zu plagen. »Ich sag dir was, Jeff«, sagt er mit einem breiten Grinsen. »Du rufst ein paar Leute an, klärst die Sache mit dem Taxilenker-Verband, und wir schicken dich zurück auf die Straße.«
    Ich versuche, zu verbergen, dass dieses Gespräch mich verletzt hat. Ich möchte nicht zeigen, wie verärgert ich bin, dass Charlie White sich gegen mich gewendet hat. Dennoch muss mich mein Gesichtsausdruck verraten, denn Denise ergreift jetzt meinen Arm.
    »Es tut uns leid«, sagt sie. »Aber genau genommen kennen wir uns ja nicht wirklich gut. Ich meine, wir arbeiten zwar zusammen und so, aber hier in der Garage wird ja bloß ein wenig gequatscht, mehr nicht. Keiner weiß wirklich Bescheid über die anderen.«
    Als ich in die großen braunen Augen von Denise blicke und das Mitgefühl in ihrem Gesicht spüre, kommen mir die Tränen. Ich weiß nicht, woher sie kommen. Vor diesem ganzen Tohuwabohu hatte ich zwei Jahrzehnte lang nicht mehr geheult. Inzwischen habe ich allein in den letzten paar Monaten zwei oder drei Mal geweint. Ich verwandle mich in eine sechzehnjährige Schülerin.
    Mir wird bewusst, dass ich soeben, als sich Denise im Namen der gesamten Taxi-Garage entschuldigt hat, zum ersten Mal seit Beginn meiner Malaise von irgendjemandem eine Entschuldigung zu hören bekomme. Bis jetzt scheint sich niemand imstande gesehen zu haben, das Zauberwort auszusprechen. Nicht die Polizei, die Leute zum Lügen angestiftet hat, damit ich im Gefängnis bleiben musste; nicht Cara Worths Mutter, die mich großzügig eingespeichelt hat; nicht Randall, dessen mangelhafte Verteidigung dazu geführt hat, dass der Wahnsinn sich ungehindert ausbreiten konnte; und sicherlich nicht der Staatsanwalt, dessen Vorstellung von einer Entschuldigung darin besteht, mir eine Entführungsklage um den Hals zu hängen, anstatt zuzugeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Nein, die erste Person, die mir in die Augen schaut und »sorry« sagt, ist eine gutmütige Kollegin, die mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hat.
    Was für eine wunderbare Welt das wäre, wenn nur die Dummen etwas weniger Selbstsicherheit hätten.
    Ich greife nach ihr und zwicke ihr in den Hintern. Sie quietscht und springt zurück, offensichtlich nicht erfreut.
    »So«, sage ich zu ihr, »jetzt kannst du allen erzählen, ich sei normal.«

Kapitel dreizehn
     
    Jerome Loggins ist zweiunddreißig Jahre alt. Mit siebzehn wurde er für die Vergewaltigung

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