Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)
Mann war. Er hatte Marlene und Kit geholfen, die große rote Scheune zu renovieren und darin den neuesten von insgesamt sechs Kindergärten in umliegenden Kleinstädten einzurichten. Kit pendelte als Springerin und Geschäftsführerin zwischen den Kindertagesstätten hin und her. Marlene war neben ihrer Tätigkeit als Erzieherin für die Buchhaltung zuständig gewesen.
Travis unterdrückte ein Stöhnen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund störte er sich gewaltig daran, dass Levi besitzergreifend die Arme um Kit legte und ihre Lippen küsste.
In seinem Büro hatte Travis abgewehrt, von Kit umarmt zu werden. Doch nun, allein auf der heißen Landebahn, die nach Treibstoff stank, hätte er ein wenig Zuwendung gut gebrauchen können. So weit entfernt von seinem Schreibtisch fühlte er sich nicht mehr wie ein mächtiger Direktor. Er kam sich stattdessen wieder wie der sechzehnjährige Junge vor, der vor über einem Jahrzehnt auf diesem Flughafen angekommen war, um seine Großmutter mütterlicherseits zum zweiten Mal in seinem Leben zu sehen.
Er erinnerte sich an sie als eine schlichte warmherzige Frau, die in einem baufälligen zweistöckigen Haus mit mehreren Nebengebäuden lebte. Am Tag nach seiner Ankunft hatte sie ihm das Nachbarskind vorgestellt – eine langbeinige Brünette namens Kit, deren Reize ihn vom ersten Moment an fasziniert hatten.
Einen wunderschönen Sommer lang hatte er sich der kleinen Stadtgemeinde zugehörig gefühlt. Kit war seine erste große Liebe. Verdammt, vielleicht seine einzige wahre Liebe. Und diese Gefühle beschränkten sich nicht auf das rein Körperliche. Alles an ihr, von ihrem niedlichen Dialekt über die lässige Kleidung hin zu dem ungehemmten Lachen, stand in krassem Gegensatz zu seiner eigenen steifen und strengen Erziehung. Ihr unbekümmerter Geist begeisterte ihn schon seit der ersten Begrüßung.
Kit und ihrer schlichten Lebensart Adieu zu sagen, an einem sengend heißen Sonntag im August, zählte zu den schwersten Dingen, die er je getan hatte. Sie hatten einander fest versprochen, sich zu schreiben. Aber er war von den Jungs in seiner Privatschule gnadenlos gehänselt worden wegen seiner Sommerliebe. Nach einigen wenigen Briefen hatte er sich dem Druck gebeugt, was ihn immer noch zutiefst beschämte. Er musste Kit, den magischen gemeinsamen Sommer und seine ungestillte Sehnsucht verdrängen, mit ihr zu einer Familie gehören zu wollen.
Und nun stellte ausgerechnet Kit das einzige greifbare Bindeglied zu allem dar, was ihm vertraut war. Sicher, da war Libby, aber sie kannte ihren Onkel Travis doch kaum. Trotzdem sollte er durch den tragischen Schicksalsschlag von diesem Moment an die Vaterrolle übernehmen. Doch wie konnte er gut für das kleine Mädchen sorgen, wenn er nicht einmal mit sich selbst im Reinen war?
„Hallo“, sagte Levi und streckte eine schwielige Hand aus. Er trug verblichene Jeans, ein rotes T-Shirt und eine Baseballkappe. „Du musst die Geschäftskanone sein, von der Marlene ständig geredet hat.“
Hat sie mich wirklich so gesehen? fragte Travis sich. Er zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte Levi die Hand.
„Tut mir leid um Marlene und Gary. Sie waren ein großartiges Paar. Alle mochten sie.“
Travis’ Kehle schnürte sich zu.
Zum Glück drängte Kit: „Wir sollten jetzt aufbrechen.“
„Stimmt.“ Levi nahm die schwarze Reisetasche, stellte sie auf die Ladefläche und stieg ein. „Ich habe den alten Ben im Laden gelassen und du weißt ja, wie er sich immer in seine Fernsehserien vertieft und darüber glatt vergisst, dass wir Kundschaft haben.“
Auf dem Weg zur Beifahrerseite fragte Travis: „Warum wirfst du den Fernseher nicht raus? Oder den alten Ben?“
„Ganz einfach, während die Männer bei mir einkaufen, sehen deren Frauen bei mir fern. Ich gebe ihnen Popcorn mit Kokosnussöl zu kosten, das ich auch verkaufe. Seit es den Fernseher und die Snacks gibt, sind die Umsätze um dreißig Prozent gestiegen!“
„Nicht schlecht.“ Travis zog sich das Jackett aus und rollte die Hemdsärmel hoch, bevor er sich neben Kit in die kleine Fahrerkabine zwängte.
„Wohin?“, fragte Levi.
Kit sagte: „Travis will Libby sehen.“
Levi fuhr los und murmelte: „Du bist anscheinend ganz schön tapfer oder ziemlich dumm.“
„Wieso?“ Travis lockerte seine Krawatte und wünschte, er hätte Mrs Holmes beauftragt, einen Leihwagen zu reservieren. Kit so nahe zu sein, war nicht gut. Selbst bei dieser Hitze duftete sie nämlich
Weitere Kostenlose Bücher